: Lydia Davis
: Es ist, wie's ist Stories
: Droschl, M
: 9783990590690
: 1
: CHF 17.10
:
: Gegenwartsliteratur (ab 1945)
: German
: 176
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Bereits in ihrem ersten Buch beweist Lydia Davis ihre große Meisterschaft in der kleinen Form. Sie betrachtet auf ihre trocken-humorige und so intelligente Art das, was zwischen uns und in uns selbst vorgehen kann. Auch noch so kleine Feinheiten und Details des Lebens entdeckt Davis und schenkt ihnen besondere Bedeutung. Eine Vielzahl an unterschiedlichsten Lebenssituationen und menschlichen Eigentümlichkeiten findet sich in den Stories, erzählt mit einem präzisen, klaren Blick: Alltagsspleens und -ängste, eben »ein paar Dinge, die mit mir nicht in Ordnung sind«; ein Kassensturz über eine beendete Beziehung; eine Mutter, die mit ihrer Tochter nie zufrieden ist; eine Kriminalgeschichte, die als Französischsprachkurs getarnt ist; das Rätsel, was es wirklich mit dem Brief eines Ex-Freundes auf sich hat; »Auszüge aus einem Leben«, die einen ganzen Lebensverlauf im Schnelldurchlauf erzählen - und so vieles mehr. Mit 'Es ist, wie's ist' liegt jetzt das 1986 erschienene Debüt von Lydia Davis' großartiger Kurzprosa auf Deutsch vor - und somit sind die Collected Stories dieser Ausnahmeautorin vollständig übersetzt.

Lydia Davis, 1947 in Massachusetts geboren, lebt in der Nähe von New York. Ihre zahlreichen preisgekrönten Stories erschienen 2009 gesammelt als 'Collected Stories'; außerdem veröffentlichte sie 1995 den Roman 'The End of the Story'. Sie übersetzt aus dem Französischen, u.a. Blanchot, Butor, Flaubert und Proust, und erhielt 2013 den Man Booker International Prize für 'Can't and Won't'. Auf Deutsch erschienen bei Droschl in der Übersetzung von Klaus Hoffer ihre Erzählungsbände 'Fast keine Erinnerung' (2008), 'Formen der Verstörung' (2011), 'Kanns nicht und wills nicht' (2014), 'Samuel Johnson ist ungehalten' (2017) und ihr Roman 'Das Ende der Geschichte' (2009).

Es ist, wie’s ist

Er sitzt da und starrt auf das Stück Papier vor ihm. Er versucht einen Kassensturz zu machen. Er sagt:

Ich mache jetzt einen radikalen Kassensturz. Das Ticket hat $ 600 gekostet und dazu kamen später noch Kosten für Hotel und Essen und so weiter, für gerade mal zehn Tage. Sagen wir $ 80 pro Tag, nein, mehr, eher schon $ 100 pro Tag. Und geliebt haben wir uns im Durchschnitt, sagen wir, einmal pro Tag. Das macht $ 100 für einmal Abspritzen. Und jedes Mal hat es vielleicht zwei, drei Stunden gedauert, das heißt, es würde sich auf irgendwas zwischen $ 33 und $ 50 die Stunde zusammenläppern, und das ist teuer.

Obwohl – das war natürlich nicht alles, was da lief, weil wir fast den ganzen Tag zusammen waren. Sie sah mich in einem fort an, und jedes Mal, wenn sie mich ansah, dann hatte das seinen Wert, und sie lächelte mich an und hörte nicht auf zu reden und zu singen, und wenn ich was sagte, zog sie gleich sämtliche Segel auf, ein Happen für mich, und sie hielt dann ein paar Schritte Abstand von mir, lächelte aber dabei und erzählte mir Witze, und mir gefiel das, aber ich wusste nicht recht, wie ich damit umgehen sollte, und lächelte bloß zurück und kam mir neben ihr begriffsstutzig vor, kapierte einfach nicht schnell genug. Und sie redete und berührte mich dabei an der Schulter und am Arm, in einem fort berührte sie mich und blieb immer in meiner Nähe. Wenn du den ganzen Tag mit jemand zusammen bist und es passiert immer wieder, diese Berührungen und dieses Lächeln, und das häuft sich an und baut sich auf, und du weißt, wo du heute Nacht landen wirst, du redest, und immer mal wieder denkst du daran, nein, du denkst nicht, du hast das Gefühl, als wäre es eine Art Schicksal, was passieren wird, wenn du weggehst von da, wo du den ganzen Abend verbringst, egal wo, und das macht dich glücklich, und du planst alles genau, aber nicht im Kopf, nicht wirklich da, sondern irgendwo im Innern des Körpers oder von oben nach unten, es wächst und wächst und staut sich auf, sodass du es, wenn du ins Bett steigst, nicht mehr aushältst, eine richtige Performance, ein Auftritt, alles strömt aus dir raus, aber schön langsam, du hältst an dich, bis du nicht mehr kannst, oder du hältst dich die ganze Zeit zurück, hältst dich zurück und fasst alles an, machst herum, bis du nicht mehr an dich halten kannst und ihn ganz tief hineinstecken musst und ein Ende machen musst, und wenn du fertig bist, bist du zu schwach, um aufrecht zu stehen, aber nach einer Weile musst du aufs Klo, und dann stehst du da, deine Beine zittern, du hältst dich am Türrahmen fest, durchs Fenster fällt ein wenig Licht, du findest den Weg hinein und heraus, aber das Bett kannst du nicht wirklich erkennen.

Also ist es in Summe nicht wirklich $ 100 für einmal Abspritzen, weil es den ganzen Tag so geht, von Anfang an, wenn du aufwachst und ihren Körper neben dir spürst, und es dir an nichts fehlt, nicht etwas, alles da, neben dir, ihr Arm, ihr Bein, ihre Schulter, ihr Gesicht, die gute Haut, ich habe schon andere Male gute Haut gespürt, diese Haut aber ist schlichtweg die Grenze zu etwas anderem, und jetzt wirst du gleich loslegen, und egal, wie wild ihr übereinander herfallt, es wird einfach nicht genug sein, und wenn dein Hunger ein wenig nachlässt, dann denkst du daran, wie sehr du sie liebst, und das bringt dich wieder in Fahrt, und ihr Gesicht, du blickst zu ihrem Gesicht rüber und kannst es einfach nicht fassen, wie du hier gelandet bist und was für ein Glückspilz du doch bist, und alles ist immer noch eine Überraschung und hört niemals auf, selbst wenn es vorüber ist, hört es nie auf, eine Überraschung zu sein.

Für dich ist das eher so, als ginge das gute sechzehn oder achtzehn Stunden am Tag so weiter, und selbst wenn du nicht mit ihr zusammen bist, geht das so weiter, und es ist gut, weg zu sein, weil’s so guttun wird, wieder bei ihr zu sein, also ist es immerzu da, und du kannst nicht einfach losgehen und dir irgendeine alte S