Eine Urlaubsliebe
Es war einer dieser klaren Tage, die es im Herbst nur im Süden geben kann. Die Stadt war still geworden, die meisten Touristen waren längst wieder zu Hause, und allmählich gehörten die Straßencafés und die Strandpromenade wieder den Einheimischen. Im Hotel war es angenehm ruhig, selbst wenn man nicht so früh aufstand wie ich und der graubärtige Herr, den ich jeden Morgen um die gleiche Zeit durch die Lobby kommen sah. Ich nahm an, dass er Maler war oder vielleicht Filmregisseur oder etwas mit dem Theater zu tun hatte. Es war so eine künstlerische Aura um ihn und seine schöne Frau, die meist etwas später zum Frühstück kam.
Er trat aus der Tür und nahm sein Handy heraus, als der kleine streunende Hund, der vorhin an meinem Tisch gebettelt hatte, wie der Blitz zu ihm hinüberschoss und an seinem Bein hochsprang. Ganz offensichtlich schien er sich zu freuen. Der Mann sah etwas unsicher lächelnd auf ihn hinunter, weil er das zwar sehr nett fand, der Hund aber andererseits nicht aufhörte, sich zu freuen. Der Mann tätschelte beruhigend den Kopf des Hundes, was den aber nur zu verstärkter Freude zu ermuntern schien. Um genau zu sein, freute sich der Hund jetzt ausgiebig und recht heftig. Der Mann schüttelte zaghaft sein Bein. Er wollte dem Hund nicht wehtun. Er tat dem Hund nicht weh. Der Hund war ganz im Gegenteil begeistert davon, dass das Bein seine Liebe zu erwidern schien. Der Mann versuchte, auf seinem verbliebenen Bein das Gleichgewicht zu halten und dabei nicht wie ein Clown auszusehen. Es funktionierte nicht gut.
»Aus jetzt!«, befahl er dem Hund wenig energisch. Der Hund sah verständnislos auf und verdoppelte dann seine Anstrengungen. Das mochte daran liegen, dass es ein italienischer Hund war, der vermutlich kein Deutsch verstand. Ich verbarg mein Lächeln hinter der Zeitung. Der Mann sah zu mir herüber und hob in einer hilflosen Geste die Hand, woraufhin der Hund sofort zurückschreckte und sich leise winselnd duckte. Offensichtlich war er schon oft geschlagen worden. Dem graubärtigen Herrn tat das Missverständnis so leid, als wäre der Hund ein Mensch gewesen. Spontan kniete er sich hin und murmelte Beruhigendes, was ich von meinem Sessel in der Lobby aus nicht verstehen konnte, aber der Hund kam zögernd zurück und leckte ihm zaghaft die Hand. Es war eine sehr sympathische Szene, die ich aber trotzdem bald wieder vergessen hätte, wäre nicht die schöne, weißhaarige Dame gekommen, um mit ihrem Mann zu frühstücken. Sie sah ihn vor dem Hund knien und ihn streicheln und kam quer durch die Lobby.
»Hast du einen neuen Freund gefunden?«, fragte sie mit einer weichen Stimme, die gut zu ihrem eleganten Aussehen passte.
Der Mann richtete sich auf, deutete auf den Streuner und sagte, während er sich Hundehaare von der Hose klopfte:
»Na, es sieht eher aus, als hätte er einen neuen Freund gefunden. Er liebt mein re