: Sien Volders
: Norden
: Residenz Verlag
: 9783701746460
: 1
: CHF 15.30
:
: Erzählende Literatur
: German
: 336
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Als die junge Silberschmiedin Sarah das Angebot einer großen Schmuckfirma erhält, muss sie eine Wahl zwischen Kunst und kommerziellem Erfolg treffen: Sie flieht vor dieser Entscheidung und landet in der ehemaligen Goldgräberstadt Forty Miles an der Grenze zu Alaska. Wer hier wohnt, hat seine Geschichte hinter sich gelassen, um neu anzufangen, um ein freieres Leben fernab der Zivilisation zu führen. Die wilde Schönheit des hohen Nordens nimmt Sarah gefangen, hier findet sie Freunde, Liebe, Musik - und letztlich eine neue Heimat. In eindringlichen Bildern von großer Intensität erzählt Sien Volders' hochgelobter Debütroman von einer jungen Frau, die um ihre Kunst und um das Recht auf ein freies, selbstbestimmtes Leben kämpft.

geboren 1983, lebt und arbeitet in Gent. Nach dem Studium der Kunstgeschichte und Anthropologie arbeitete Sien Volders als Innenarchitektin, Journalistin und Lektorin. 2017 erschien ihr hochgelobter Debütroman 'Noord', der 2020 unter dem Titel 'Norden' aus dem Niederländischen übersetzt im Residenz Verlag erscheint.

2. Dodge


Das Sonnenlicht an der Wand zeigte Sarah, dass es schon weit nach zehn Uhr sein musste. Sie hatte Kopfschmerzen und ihr war übel vom Nachgeschmack zu vieler Zigaretten. Sie stieg aus dem Bett, stellte sich unter die Dusche.

Das Motel lag an der Autobahn und ihr Zimmer blickte auf die Ebene. Die letzten schmutzigen Schneereste weigerten sich hartnäckig, zu schmelzen. Ihre Stirn lag an der Scheibe, die dunklen Locken fielen ihr wie nasse Pinsel auf die Schultern. In der Ferne konnte sie die Berge des Nordens sehen. Unruhe grummelte in ihrem Bauch.

Sie kniete sich neben ihren Rucksack, holte einen Waschbeutel aus dem vorderen Fach und kramte eine Weile darin herum. Schließlich wählte sie drei ältere Stücke. Ring und Armband, zum Armband passende Ohrringe. Den Schmuck vom Vortag nahm sie vom Nachttisch und verwahrte ihn. Dann wühlte sie zwischen den zusammengeknüllten Klamotten nach Unterwäsche, die noch frisch aussah, und zog saubere Kleidung darüber.

Als sie alle ihre Sachen wieder im Rucksack verstaut hatte, kam sie in die Lobby. Auch dort war alles sauber, aber alt und verschlissen, wie überall im Motel. Der Geruch nach vergangenen Jahrzehnten hing im Teppichboden, in der verstaubten Tapete und der Holzverkleidung. Es war das letzte Motel vor Forty Mile. Bald würde der Highway 37 in den Klondike Highway übergehen, die letzte Gerade in Richtung Norden. Noch dreihundert Meilen, dann war sie da. Einen Tag Fahrt, etwa sechs Stunden.

Bis spätabends hatte sie ein Stück weiter in einem Blueslokal an der Theke gesessen und die vorletzte Etappe ihres Roadtrips gefeiert. Ein Lokal wie viele andere, die sie unte