: Sabine Fitzek
: Verrückt Kriminalroman
: Verlagsgruppe Droemer Knaur
: 9783426455623
: Kammowski ermittelt
: 1
: CHF 6.50
:
: Krimis, Thriller, Spionage
: German
: 336
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Täter - oder Opfer: Wer glaubt einem Verrückten? Im 2. Teil der Medizin-Krimis um Kommissar Kammowski gerät ein Psychiatrie-Patient unter Mordverdacht Nur ein Verrückter scheint für den Mord an der 14-jährigen Lena infrage zu kommen, deren Leiche man wie Schneewittchen aufgebahrt in einem Berliner Park gefunden hat. Kommissar Kammowski von der Kripo Berlin übernimmt die Ermittlungen und kann nicht verhindern, dass der Sohn seiner Nachbarin unter Verdacht gerät: Der sensible Oliver war nicht nur mit Lena befreundet - er leidet unter einer schweren paranoiden Schizophrenie. Weil er jede Behandlung ablehnt und es bislang keinerlei Hinweise auf Eigen- oder Fremdgefährdung gab, musste Oliver nach mehreren Notfall-Aufnahmen wieder aus der Psychiatrie entlassen werden. Als ein weiteres Mädchen aus Olivers Bekanntenkreis vermisst gemeldet wird, steht Kommissar Kammowski vor einer beunruhigenden Frage: Hat bei Oliver das System Psychiatrie versagt? Hochspannend und beklemmend nah an der Realität: Die Autorin Sabine Fitzek, Neurologin mit 10-jähriger Chefarzt-Erfahrung, entwickelt die Fälle ihrer Krimi-Reihe rund um Missstände im Gesundheitswesen mit großem Insider-Wissen. Die Medizin-Krimis mit Kommissar Kammowski aus Berlin sind in folgender Reihenfolge erschienen:• »Verrat«• »Verrückt«• »Verstorben«

Sabine Fitzek arbeitete nach dem Medizinstudium an den Universitäten Berlin, Erlangen, Mainz und Jena, wo sie sich im Fach Neurologie habilitierte. Danach war sie mehr als zehn Jahre lang als Chefärztin tätig. Heute ist sie Inhaberin einer neurologischen Praxis und schreibt nebenher über gesundheitspolitische Missstände, mit denen sie unfreiwillig immer wieder in Berührung kam und kommt. Überdies berät sie gelegentlich ihren Schwager Sebastian Fitzek zum Thema psychische Extremzustände.

6


Während Kammowski Abendbrot machte, hing Charlotte mal wieder vor dem Fernseher. Sie hatte sich in einer amerikanischen Serie festgebissen, sah eine Folge nach der anderen, manchmal schon mittags, wie Kammowski argwöhnte. Sie schlief sehr lange. Und wenn er abends nach Hause kam, war sie meist schon weg. Aber er fand nicht selten ihre leeren Chipstüten und Colaflaschen vor dem Fernseher vor. Sie lebten irgendwie aneinander vorbei. Woher sie nur diese Stapel von Serien-DVDs hatte? Charlotte war enttäuscht gewesen, dass Kammowski kein Netflix abonniert hatte. In Köln hatte sich Elly bisher auch nicht erweichen lassen.

»Papa, Netflix brauchen wir. Fernsehen ist total out, ist doch besser, wenn man ganz gezielt einen Film streamt, als das Fernsehprogramm zu konsumieren.«

»Ich sehe kaum fern. Und wenn ich ganz gezielt einen Film sehen will, gehe ich ins Kino«, hatte Kammowski geantwortet, obwohl er selbst tatsächlich schon darüber nachgedacht hatte, Netflix oder Amazon Prime zu abonnieren.

Kammowski betrachtete Charlotte, wie sie da so auf der Couch lag, im weißen Bademantel mit roten Herzen darauf, das Handtuch als Turban um den Kopf gewickelt, und gebannt dieser dämlichen Anwaltsserie folgte. Eine große Zärtlichkeit machte sich in ihm breit. So war es früher oft gewesen. Er hatte ihnen Abendbrot gemacht, und die Kinder, Charlotte und Anian, durften nach dem abendlichen Bad noch eine halbe Stunde Sandmann schauen. Anian machte in zwei Jahren sein Abitur, und auch Charlotte ging nicht mehr um19 Uhr ins Bett. Sie vertrieb sich nur die Zeit, das Berliner Klubleben startete nicht vor23 Uhr.

Nach dem Abendbrot räumte Kammowski auf und brachte den Müll in den Hof. Bei den Mülltonnen traf er Frau Beckmann, eine nette Frau, mit der er immer gerne ein paar Worte wechselte. Kennengelernt hatten sie sich nicht als Nachbarn. So ein Berliner Mietshaus konnte recht anonym sein, Kammowski pflegte zu niemandem engeren Kontakt. Frau Beckmann hatte er kennengelernt, als sie noch in der Wäscherei und Reinigung arbeitete, zu der Kammowski seine Bügelwäsche brachte. Als die Reinigung schloss, hatte sich die Nachbarin angeboten, weiterhin für Kammowski zu arbeiten. Sie war ja schon berentet, und er konnte sie unkompliziert als Haushaltshilfe über das Haushaltsscheckverfahren melden. Das war sehr praktisch, weil sie im selben Haus wohnte und auch bereit war, Kater Churchill zu versorgen, wenn Kammowski verreist war.

Kammowski mochte Frau Beckmann inzwischen sehr gerne. Sie war eine freundliche kleine Frau mit kurzen, blond gefärbten Haaren mit roten Strähnen, die Lebensfreude, Zuversicht und Tatkraft ausstrahlte. Sie gehörte zu den seltenen Menschen, die von einer Aura der Wärme und Zuversicht umgeben schienen und freizügig davon abgaben. Obwohl sie es, wie Kammowski wusste, nicht immer einfach gehabt hatte. Sie hatte ihm einmal erzählt, dass sich ihr Mann schon vor Jahren das Leben genommen hatte. Er sei psychisch krank gewesen. Sie selbst hatte ihr Leben lang gearbeitet, zwei Kinder großgezogen und bezog jetzt eine sehr kleine Rente. Um sich ein Auskommen zu sichern, arbeitete sie nebenher in verschiedenen Jobs. Kammowski fand, es sei nicht richtig, dass man neben seiner Rente noch arbeiten musste, um über die Runden zu kommen. Aber sie lachte dann immer und sagte, sie arbeite doch gerne, und nicht selten verkündete sie, sie habe gerade Kuchen fürs Wochenende gebacken, und weil man mit zwei Kuchen nicht mehr Arbeit hätte als mit einem, hätte sie für Kammowski gleich einen mit gemacht. Er müsse ihn sich nur abholen.

Heute hatte Frau Beckmann keinen Kuchen, und sie war auch nicht auf Schwätzen aus. Sie wirkte bedrückt. Während sie gemeinsam die Treppen hinaufstiegen, erzählte sie Kammowski, dass ihr Sohn vor einigen Wochen wieder bei ihr eingezogen sei. Kammowski erinnerte sich vage an einen jungen Mann, den er im Treppenhaus getroffen hatte und nicht hatte zuordnen können. Aber das Haus war groß, und viele Menschen gingen hier ein und aus.

»Herr Kommissar, wollen Sie vielleicht noch auf einen Tee hereinkommen?«

Kammowski zögerte. Frau Beckmann schien etwas auf der Seele zu liegen, das war offensichtlich, aber