4.
Drei Tage später vermeldete Kords Bote, dass die Schar, die Andreas begleiten sollte, bereitstünde. Dem Mann war anzusehen, wie froh er war, nicht dazuzugehören. Trotzdem erhielt er von Aldebrand seinen Botenlohn und machte sich wieder auf den Heimweg.
»Wie es aussieht, müsst ihr morgen aufbrechen«, sagte Aldebrand zu Andreas und seinem Sohn.
Andreas nickte mit verkniffener Miene. »Es ist wohl besser so. Dann ist Kord mich los, und ich bin mein eigener Herr.«
»Sollten wir nicht noch heute zur Burg reiten, um uns die Kerle anzusehen?«, fragte Ailmar.
»Ich verbringe die letzte Nacht in der Heimat lieber unter dem Dach deines Vaters. Immerhin war dies hier bis jetzt mein Heim, nicht Burg Venneby.«
Andreas umarmte Aldebrand, der ihm in all den Jahren mehr Vater gewesen war als sein eigener.
»Von mir aus gerne«, erwiderte Ailmar grinsend und setzte hinzu, dass er ungern mit Kord an einer Tafel gesessen hätte.
»Wir werden heute Abend noch den einen oder anderen Becher Wein miteinander leeren, und morgen brecht ihr dann mit allen unseren guten Wünschen auf. Mögen der heilige Michael und der heilige Georg an eurer Seite reiten und euch allezeit beistehen«, sagte Aldebrand. Er kämpfte mit den Tränen, denn er liebte Andreas wie seine eigenen Söhne und sah ihn ebenso ungern scheiden wie Ailmar. Um zu verhindern, dass die beiden ihn rührselig nannten, klopfte er ihnen auf die Schulter und stimmte ein Kampflied an.
Andreas und Ailmar fielen darin ein und ließen sich anschließend den letzten Wein in der Heimat schmecken.
Ein Bad in dem Teich, der den Burggraben speiste, weckte am nächsten Morgen ihre Lebensgeister, und als sie nach einem raschen Frühstück aufs Pferd stiegen, waren sie guter Stimmung.
Eine Reitstunde später erreichten sie Ritter Hardos Burg. Sie war ebenso wie Aldebrands Motte auf einem aufgeschütteten Hügel errichtet worden, wurde jedoch von zwei Palisadenreihen statt nur einer geschützt. Trotzdem drängte Kord darauf, daneben eine neue Burg aus Stein errichten zu lassen, die ihm mehr Sicherheit versprach als das hölzerne Bauwerk.
Ritter Hardo erwartete seinen jüngeren Sohn und dessen Gefolgsmann in der Halle. Durch die kleinen Fenster fiel kaum Licht, und so erhellten nur die beiden hinter dem Hochsitz des Burgherrn angebrachten Fackeln den Raum. Bisher hatte Andreas in seinem Vater stets den wuchtigen, kraftvollen Herrn von Venneby gesehen, nun aber bemerkte er Spuren des Alters an ihm. Es wunderte ihn daher nicht mehr, dass Kord dem Vater das Heft aus der Hand genommen hatte. Doch das ging ihn nichts an.
Er trat einen Schritt vor und verbeugte sich. »Mein Herr, ich bitte um Euren Segen für meine Fahrt!«
Er sprach Hardo an, als wäre er einer seiner Gefolgsleute und nicht sein Sohn.
Diese Entfremdung schmerzte Hardo, und er bedauerte es noch mehr, Andreas nicht rechtzeitig auf die Burg zurückgeholt zu haben. Vielleicht hätten seine Söhne sich dann daran gewöhnt, Brüder zu sein. Nun aber war es zu spät.
»Ziehe mit meinem Segen in die Ferne, mein Sohn, und grüße meinen alten Freund Ulfar Gunnarson von mir. Wir haben gemeinsam große Taten vollbracht. Vollbringe nun auch du große Taten!«
»Ich danke Euch, mein Herr, und ich werde alles tun, um mich Euer würdig zu erweisen«, antwortete Andreas und hörte dann ein mahnendes Hüsteln seines Freundes.
»Verzeiht, mein Herr, wenn ich Euch darauf anspreche«, fuhr Andreas daher fort. »Der Weg zu Ulfar Gunnarson ist weit, und nicht immer wird man uns unterwegs zu Gast laden. Auch werden wir den Schiffer bezahlen müssen, der uns nach Norwegen bringt.«
»Darum wollte sich doch Kord kümmern?«, antwortete Hardo verwundert.
»Wir haben ihn bislang nicht gesehen«, warf Ailmar ein.
Andreas nickte. »So ist es, Herr Vater. Wir wissen auch nicht, wo die Männer stecken, die uns begleiten sollen.«
Sein Vater wirkte auf einmal noch älter als vorhin, schlug aber mit der Faust auf den Tisch. »Wenn ich Kord etwas befehle, hat er es auszuführen. Wo ist er?«
Die Frage galt Ditto, einem Gefolgsmann seines ältesten Sohnes, der sich in der Nähe herumdrückte.
»Hat Herr Kord Euch nicht gesagt, dass er zu Fürst Bogumil reitet, um diesen zu einem Bündnis zu bewegen?«, antwortete der Mann scheinbar erstaunt.
Andreas hätte nicht einmal das Schwarze unter dem Nagel dagegen gewettet, dass sein Bruder ohne Wissen des Vaters aufgebrochen war.
Hardo hieb erneut auf den Tisch. »Ich habe ihm deutlich erklärt, dass er Andreas für die Reise ausrüsten und die Männer bereitstellen soll! Was hat er also bei den Wagriern zu suchen?«
»Das Bündnis mit Fürst Bogumil ist wichtig, um sich hier in diesem Land behaupten zu können. Andreas wird wohl die Reise auch ohne ihn antreten können.« Dittos unverschämter Tonfall verriet, dass Kord seine Männer gründlich gegen seinen Bruder eingenommen hatte.
»Und Andreas’ Gefolge?«, f