1. Kapitel
Die Straße führte schnurgerade Richtung Norden.
Ella umklammerte das Lenkrad fester. Da hatte sie sich ja einen schönen Tag ausgesucht, um nach Hause zurückzukommen. Seit Stunden regnete es ununterbrochen. Das Flapp-Flapp des Scheibenwischers zerrte an ihren Nerven. Sie war müde und hielt nach einer Rastmöglichkeit Ausschau.
Endlich tauchte eine Tankstelle am Straßenrand auf. Obwohl es nicht mehr weit war, fuhr sie vor eine Zapfsäule und stieg aus. Sie atmete tief durch. Dann schob sie ihre Kreditkarte in den Schlitz und tankte den Wagen voll.
Irgendwie kam ihr alles so fremd und klein vor.
Sie war vor zwölf Jahren das letzte Mal hier gewesen, als Granma starb und ihr das Haus am Meer hinterließ. Ella hatte es gar nicht schnell genug loswerden können. Ihr Lebensmittelpunkt, dachte sie damals, war New York und nicht das verschlafene Nest an der Atlantikküste. Inzwischen bereute sie allerdings ihren Entschluss. Ein Haus am Meer wäre jetzt für sie der richtige Rückzugsort.
Das Geld aus dem Verkauf hatte sie in die Wohnung in New York gesteckt. Damals kam ihr die Entscheidung erwachsen vor. Sie war erst fünfundzwanzig, hatte gerade nach dem Studium angefangen zu arbeiten und war um diese Anschubfinanzierung froh. Granma hätte es auch gefallen. Sie hatte immer gesagt, man solle nicht an der Vergangenheit hängen.
Ehe sie weiterfuhr, wählte Ella noch einmal die Telefonnummer ihrer Freundin Tara. Wie schon bei den letzten Versuchen meldete sich niemand.
Also dann. Hoffentlich freute Tara sich, wenn Ella sie überfiel. Vorsichtshalber hinterließ sie eine Nachricht auf der Mailbox.
»Hey, Tara, hier ist Ella. Es ist lange her, ich weiß …« Zwölf Jahre. Sie hatte einfach ihre Vergangenheit hinter sich gelassen und keinen Gedanken mehr daran verschwendet. »Jedenfalls bin ich auf dem Weg nach New Harbor und hab noch kein Bett für heute Nacht. Kann ich bei euch schlafen? In ungefähr einer halb