: Patricia St John
: Lucys Entdeckungen
: Bibellesebund Verlag
: 9783955683276
: 1
: CHF 1.80
:
: Abenteuer, Spielgeschichten, Unterhaltung
: German
: 144
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Im Mittelpunkt dieser packenden Geschichte steht die zwölfjährige Lucy, die bei ihren Großeltern aufwächst. Ihr Leben ist seit ihrer frühesten Kindheit von einem Geheimnis umgeben. Dieses zu lüften ist Lucys fester Entschluss. Warum weiß sie zwar, wie ihre Mutter starb, aber nicht, was mit ihrem Vater ist? Warum wollen ihre Großeltern lieber nicht mit ihr darüber reden?

Patricia St. John (1919 - 1993) war eine englische Krankenschwester und Missionarin in Marokko sowie Autorin vieler Kinder- und Jugendbücher. Patricia war das dritte von fünf Kindern und kam in London zur Welt kurz nach dem ihre Eltern, die als Missionare arbeiteten, aus Brasilien zurückgekehrt waren. Ihre Kindheit verbrachte sie in England, war zwischendurch allerdings für ein Jahr in der Schweiz (Erinnerungen an die Zeit flossen in den Roman 'Spuren im Schnee' ein). Auch die Reisen, die sie als Erwachsene machte, inspirierten sie zu Romanen, das gilt vor allem für ihre Zeit als Missionskrankenschwester in Marokko, wo sie zunächst in Tanger, dann in einem Dorf in den Bergen arbeitete. Ihre Erlebnisse dort ließen sie 'Hamid und Kimza', 'Überraschung im Morgengrauen' und 'Die Silberne Straße' schreiben. Andere Reisen führen sie nach Spanien, Rumänien, Libanon, in die Türkei sowie nach Ruanda und Äthiopien. Sie engagierte sich sehr für das christliche Kinderhilfswerk Global Care, das von ihr mitgegründet wurde und dessen Leiterin sie eine Zeit lang war. Ihre Bücher wurden in über 35 Sprachen übersetzt, mehrere wurden auch verfilmt. In Deutschland sind ihre Romane beim Bibellesebund in Zusammenarbeit mit CLV erschienen.

Der geheimnisvolle Brief

Das Pfingstlager war vorüber. Die Zeit verging so schnell, dass ich selten rückwärts oder vorwärts schaute, sondern einfach jeden neuen Tag genoss. Wieder einmal ging der Sommer in den Herbst über, und nun kam ich in die weiterführende Schule.

Wieder kam der Winter, Schnee fiel und bedeckte alles mit einer weißen Decke. Wieder suchte ich Tannenzapfen und röstete Kastanien und bastelte heimlich Weihnachtsgeschenke. Wieder hörte ich das Blöken des neugeborenen Lammes und atmete den warmen Südwind ein, der die Knospen hervortrieb. Ich wusste: Der Frühling war unterwegs.

Es war der vorletzte Schultag vor den Sommerferien. Draußen grünte und blühte es. Der Unterricht war fast zu Ende. Die Schüler waren unruhig und warteten sehnsüchtig auf das Klingeln der Schulglocke. Die Englischlehrerin las uns ein Gedicht vor. Da das Fenster weit geöffnet war, konnten wir die Ringeltauben gurren und die Schafe nach ihren Lämmern rufen hören. Unsere Aufmerksamkeit war weg.

Die Lehrerin schloss ihr Buch, ging zur Tafel und schrieb in großen Buchstaben »SOMMERFERIEN«. Ein begeistertes Flüstern ging durch die Reihen, und alle Blicke richteten sich wieder auf die Lehrerin.

Sie sah aus wie der Sommer selbst, wie sie in ihrem gelben Pullover in der Sonne stand. »Bald plant ihr eure Sommerferien«, verkündete sie. »Dies ist nun ein Wettbewerb, an dem ihr in euren Ferien arbeiten könnt. Im nächsten Schuljahr gibt es für den besten Aufsatz einen Preis. Ihr könnt eine Geschichte schreiben oder berichten, was ihr letztes Jahr in den Ferien erlebt habt oder was ihr für dieses Jahr plant. Schreibt, was ihr wollt, aber versucht, die Besonderheiten des Sommers zu beschreiben.«

Sie schaute im Kreis herum, in die leeren Gesichter. »Der Sommer scheint eine schläfrige Angelegenheit zu sein«, sagte sie schmunzelnd. »Lasst uns schon einmal ein paar Gedanken sammeln und sie an die Tafel schreiben. Mary, woran denkst du, wenn ich Sommerferien sage?«

Mary fuhr zusammen. »Hm …«, stammelte sie, »hm … Hitze … und … Eis …«

»Ja, gut. Jemand anders? Jennifer?«

»Schwimmen … Strand … Esel …«

»Kasperletheater … Boccia …«

»Tennis.«

»Campingurlaub im Wohnwagen.«

»Auf meinem Pony reiten …«

Die Lehrerin schrieb alles an die Tafel. Dann drehte sie sich zu ihren Schülern um, die plötzlich wieder hellwach waren.

»Das stimmt alles. Erinnert euch doch mal an eure Ferienorte vom letzten Jahr! Anna, wo warst du letztes Jahr in deinen Sommerferien?«

»Wir reisten mit unserem Auto durch Schottland.«

»Und wie war Schottland im Sommer?«

»Es gab Berge und Seen, und es regnete, und wir hatten mit unserem Auto eine Panne. Wir besuchten Schlösser und Schlachtfelder. Wir hielten nach dem Loch-Ness-Ungeheuer Ausschau, hatten aber keinen Erfolg.«

Die Lehrerin seufzte leicht und sah mich an.

»Lucy?«, fragte sie.

Jemand kicherte, und Mary Blossom versuchte, mir zu helfen. »Lucy fährt nie weg«, erklärte sie. »Ihre Großeltern können keine Ferien machen, wegen …«

»Mary, das genügt«, unterbrach sie die Lehrerin. »Den Sommer gibt’s auch hier, nicht nur an den Ferienorten. Im Übrigen war Lucy schon einmal fort von zu Hause. Sie ging doch zum Pfingstlager. Kannst du uns etwas vom Sommer in Cotswolds erzählen, Lucy?«

Ich biss mir auf die Lippen und sah meine Lehrerin verärgert an. Warum musste sie mich fragen? Sie wusste doch, dass ich nirgendwohin ging. Dann sah ich ihr Gesicht und verstand, dass sie sich gar nicht über mich lustig machte. Sie wollte wirklich meine Hilfe. Sie und ich fühlten Ähnliches in Bezug auf den Sommer, und sie brauchte meine Antwort. Ich starrte aus dem Fenster und versuchte, mich daran zu erinnern. Sommer in Cotswolds!

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