Ferienpläne
Zwei Jahre waren seitdem vergangen. Ich war jetzt neuneinhalb und Philipp beinahe elf Jahre alt. Der erste Tag unserer Osterferien war gekommen. Frühmorgens um halb sieben Uhr huschte Philipp in seinem Schlafanzug in mein Zimmer und kletterte, mit Notizbuch und Bleistift bewaffnet, auf mein Bett, das am offenen Fenster stand. Und nun stemmten wir beide die Ellenbogen auf das Fensterbrett und schmiedeten Pläne.
In diesem Frühling waren wir von einer einzigen Leidenschaft besessen: Vögel zu beobachten. Wir hatten ein Album, in das wir die verschiedenen Arten von Vögeln eintrugen, denen wir begegneten, mit allem, was wir über sie ausfindig machen konnten: Gesang, Nesterbau, Gewohnheiten. Philipp hatte das Album selbst angelegt, und seine Aufzeichnungen waren wunderschön sauber und genau. Ich malte die Eier daneben, wenn wir solche fanden; aber meine Malereien waren nicht besonders naturgetreu.
Philipps sehnlichster Wunsch war ein Fotoapparat. »Wenn ich bloß die Nester fotografieren könnte!«, jammerte er immer wieder. »Ich könnte bestimmt ein großer Naturforscher werden; vielleicht würde mein Buch sogar gedruckt werden!«
Doch der billigste Apparat, den wir in den Schaufenstern gesehen hatten, kostete Unsummen, und unsere Sparbüchse enthielt nur einen geringen Betrag, obwohl wir seit vielen Wochen unser Taschengeld zusammensparten. Wir schütteten das Geld auf die Steppdecke und zählten es mehrere Male, bloß für den Fall, dass wir uns das vorige Mal verrechnet hätten. Aber es stimmte. Philipp seufzte schwer.
»Ich werde schon beinahe ins Schulinternat müssen, bis wir den Apparat kaufen können«, sagte er wehmütig. »Wenn wir nur etwas verdienen könnten, Ruth!«
Wir starrten recht trübselig in den Garten hinaus und zerbrachen uns die Köpfe nach einer guten Idee; aber kein Geistesblitz wollte uns zu Hilfe kommen. Zu unseren Füßen hatte der April die Obstbäume angerührt, und in weichen, weißen Wellen schäumte ein Blütenmeer über die Ebene hin. Unsere eigenen Pflaumenbäume waren weiß und duftig wie Spitzengewebe. Zwischen den Stämmen konnte ich ganze Büschel von Primeln und goldenen Osterglocken in der Sonne glänzen sehen. Ich schaute zu meinen Hügeln hinüber, aber sie hatten sich in den morgendlichen Dunst eines schönen Frühlingstages gehüllt. Plötzlich fühlte ich, wie neben mir Philipps Körper sich straffte. In seinem Eifer hing er halb zum Fenster hinaus.
»Baumläufer«, zischte er, »dort auf dem Pflaumenbaum!«
Ich lehnte mich ebenfalls hinaus. Zusammen beobachteten wir den zierlichen braunen Vogel, der den Stamm hinauftrippelte und die Rinde nach Insekten abklopfte. Philipp war voll angespannter Aufmerksamkeit; er hielt den Atem an und merkte sich jede Bewegung und Haltung des Vogels. Dann breitete das niedliche Geschöpf seine Flügel aus und verschwand um die Ecke. Augenblicklich zückte Philipp Bleistift und Notizbuch, und fünf Minuten lang war er ganz in seine Aufzeichnungen vertieft.
»Ruth«, sagte er lebhaft, von seinem Album aufschauend, »heute müssen wir früh in den Wald und viel Zeit vor uns haben. Ich habe mir nämlich gestern Abend im Bett etwas ausgedacht: Wir sollten unbedingt ein Naturforscher-Hauptquartier haben. Wir müssen uns eine Hütte bauen, wo wir Bleistifte und Papier und Vorräte in Büchsen aufbewahren können, statt sie immer mit uns herumzutragen. Wir wollen ja jeden Tag, die ganzen Ferien hindurch, in den Wald! Und wir müssen frühzeitig entwischen, bevor sich Tante Margret allerlei ausdenkt, was wir tun sollten!«
Ich purzelte beinahe aus dem Bett vor Eifer.
»Großartig!«, jubelte ich. »Wir erledigen unsere Ferienarbeiten ganz schnell, und ich werde so lieb sein wie ein Engel, sodass sie mich kaum bemerkt und nicht daran denkt, mich zu überwachen. Wenn ich das Wohnzimmer gefegt und Staub gewischt habe, mache ich mich auf und davon, bevor sie an etwas anderes denkt. Und wenn sie fragt, wo wir gewesen sind, sagen wir, w