1. KAPITEL
Unmöglich. Das konnte einfach nicht sein!
Lily Zaccaro vergrößerte das Browserfenster, beugte sich vor und musterte das Bild auf ihrem Laptop ganz genau. Dann verkleinerte sie das Browserfenster wieder und öffnete ein neues.
Verflixt!
Browserfenster folgte auf Browserfenster. Und Lilys Blutdruck stieg höher und höher.
Als sie genug zusammen hatte – so viel, wie sie gerade noch ertragen konnte –, druckte sie ihre Fundstücke aus. Beweise. Alles Beweise, die sie noch gut würde brauchen können.
Nachdenklich legte sie die ausgedruckten Bilder nebeneinander. Je länger sie sie musterte, desto heftiger pochte ihr Herz. Es war eindeutig: Jemand stahl ihre Entwürfe!
Aber wie hatte das nur passieren können?
Nervös drehte sie den Ring an ihrem rechten Mittelfinger. Sie schloss die Augen, öffnete sie wieder und musterte erneut die Bilder.
Natürlich waren einige Details verändert. Es waren keine Eins-zu-eins-Kopien. Aber es bestand kein Zweifel, dass Lilys Originalentwürfe für diese Kleider Pate gestanden hatten!
Um ganz sicherzugehen, dass sie sich nichts einredete – oder dass sie verrückt wurde –, ging Lily zum Aktenschrank, in dem sie ihre alten Entwürfe archivierte. Egal ob verworfen oder überarbeitet – sie bewahrte alles auf. Es dauerte nicht lange, bis sie die gesuchte Mappe gefunden hatte. Sie nahm sie mit hinüber zum Tisch, auf dem die ausgedruckten Bilder lagen.
Sie zog die Entwürfe heraus, einen nach dem anderen. Die Entwürfe, an denen sie im vergangenen Frühjahr gearbeitet hatte. Die Entwürfe, nach denen sie und ihre Schwestern die nächste Herbstkollektion produzieren wollten.
Sie schob die Blätter auf dem großen Tisch hin und her, bis sie zu jedem das Gegenstück unter den ausgedruckten Bildern gefunden hatte. Die Ähnlichkeiten waren so frappierend, dass ihr übel wurde.
Sie musste sich am Tisch festhalten, weil ein Schwindelgefühl sie überkam. Vor ihren Augen verschwamm alles.
Lily atmete tief durch, bis es ihr wieder etwas besser ging. Unablässig hämmerte eine einzige Frage in ihrem Hirn: Wie hatte das passieren können?
Sie zermarterte sich den Kopf. Wer hatte denn Zugang zu ihren Entwurfsskizzen gehabt? Wie viele Leute waren im Atelier gewesen? Auf jeden Fall nicht allzu viele.
Zoe und Juliet natürlich – aber die beiden schieden als Tatverdächtige von vornherein aus. Ihre Schwestern würden ihr ja wohl kaum in den Rücken fallen! Die drei hatten sich gemeinsam in dem New Yorker Apartmenthaus eingemietet; in einem der Lofts wohnten sie gemeinsam, in einem anderen befanden sich die Ateliers für ihre gemeinsame Firma Zaccaro Fashions.
Natürlich gingen sich die drei manchmal gegenseitig auf die Nerven, aber im Großen und Ganzen lief ihre Partnerschaft überraschend gut. Lily zeigte ihren Schwestern all ihre Entwürfe, bat sie manchmal auch um Rat. Und ihre Schwestern hielten es ebenso.
Sie hatten eine gemeinsame Firma, zogen an einem Strang – und vor allem waren sie Schwestern. Da war es hundertprozentig sicher, dass sie sich nicht gegenseitig ausspionierten oder betrogen.
Wer also sonst konnte der Spion gewesen sein? Gelegentlich kam mal jemand ins Atelier, aber wirklich nicht sehr oft. Geschäftsbesuch empfingen die Schwestern meistens im offiziellen Hauptsitz von Zaccaro Fashions, der in Manhattan lag. Dort gab es nicht nur Büroräume, sondern auch eine kleine Boutique und Räumlichkeiten für die angestellten Näherinnen.
Die Schwestern hatten schon Pläne gehabt, das Unternehmen zu vergrößern. Aber das würde wohl ein Wunschtraum bleiben, wenn ständig jemand ihre Entwürfe stahl und die Nachahmung noch vor dem Original auf den Markt brachte.
Lily packte die Blätter auf dem Tisch zusammen. Dann ging sie unruhig auf und ab und grübelte.
Was konnte sie nur machen?
Wenn sie bloß eine Ahnung hätte, wer dahintersteckte! Oh, dem Typen würde sie es zeigen! An Rachefantasien fehlte es ihr nicht …
Aber sie hatte nicht den Hauch einer Idee, wer der Spion sein konnte. Wo