: Torolf Kroglund
: Reise mit Aal Auf den Spuren einer aussterbenden Art
: Edel Books - ein Verlag der Edel Verlagsgruppe
: 9783841906878
: 1
: CHF 13.50
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: Naturwissenschaft
: German
: 224
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Die Geschichte der Aale fasziniert die Menschen seit jeher. Und doch wissen wir immer noch viel zu wenig über diesen schlangenartigen Fisch. Was vielen Menschen gar nicht bewusst ist: Die Aale verschwinden, und zwar so rapide, dass sie schon in wenigen Jahren ausgestorben sein können. So ist der Bestand des europäischen Aals in den letzten zehn Jahren um 90 % zurückgegangen. Der Schriftsteller, Journalist und Sportfischer Torolf Kroglund geht der Frage nach, warum das so ist, und folgt dem Aal dafür durch ganz Europa. Seine Reise beginnt auf der norwegischen Insel Frøya, wo er als Kind Aale fing, und führt ihn danach u. a. nach Deutschland, Spanien, England und die Niederlande. Unterwegs begegnet ihm ein breites Spektrum an Themen rund um die Natur, er erfährt aber auch persönliche Herausforderungen. Beides flicht Kroglund auf faszinierende Weise in seine Erzählung ein.

Torolf Edgar Kroglund ist Autor, Journalist und Sportfischer. Er ist Leiter des jährlich in Südnorwegen stattfindenden Ibsen- und Hamsun-Festivals und Verfasser mehrerer Bücher über das Angeln und die Jagd.

Vom Hammarvatnet in die Sargassosee


Manchmal hatte ich einen Aal am Haken, wenn ich in den Seen Frøyas, der Insel meiner Kindheit in Westnorwegen, Forellen angelte. Ich besaß zwei Ruten, eine Wurfangel, die ich mit Kunstköder, Spinner oder Fliege einsetzte, und eine Rute mit Wurm und Schwimmer. Die Aale bissen immer an der Rute mit dem Wurm, und zwar meist dann, wenn sich bereits die Dunkelheit über Wasser und Land legte. Ich konnte gerade noch erkennen, wie sich ein schwarzes, schweres Etwas in der Tiefe bewegte. Eine große Kraft ging von diesem Etwas aus, wenn ich die Angelschnur einholte. Ich musste dagegen richtig ankämpfen. Und jedes Mal war ich enttäuscht, wenn keine Rekordforelle am Haken hing, sondern ein glitschiges, sich windendes, schlangenartiges Ding, das ich ins Heidekraut warf und mit einer Mischung aus Faszination und Ekel betrachtete. Es erwies sich als fast unmöglich, das Tier vom Haken zu bekommen. Er war so tief im Maul verschwunden, dass ich ihn gar nicht mehr sehen konnte. Auch ließ sich der schleimige Aal kaum festhalten. Es sah aus, als habe er den Wurm samt Haken eingesaugt wie ein Staubsauger. Man hätte wohl die Leine kappen und ihn wieder ins Wasser werfen können, aber ihn mit einem Haken in der Kehle herumschwimmen zu lassen, wäre Tierquälerei gewesen. Die einzige Lösung war, ihn zu töten. Selbst das war nicht so leicht, wie man glauben sollte. Ihn festzuhalten, war nicht das einzige Problem. Auch wenn man auf ihn treten wollte, flutschte er weg wie ein Stück Seife. Ich muss zu meiner Schande gestehen, dass mir nichts Besseres einfiel, als das Messer hervorzuholen und ihm den Kopf abzuschneiden. Aber nicht einmal danach schien dieses unheimliche, mystische Tier tot zu sein. Der Körper wand sich weiter, und fast sah es so aus, als ob es ihn zurück ins Wasser zöge, um in der Tiefe zu verschwinden und dort weiterzuleben, als sei nichts geschehen. Ohne Kopf. Wuchs der womöglich wieder nach? Auch er schien weiterzuleben, nachdem ich ihn abgetrennt hatte. In der Mitternachtsdunkelheit, allein am undurchsichtigen Wasser, weitab von jeglicher Zivilisation war das alles ziemlich unheimlich.

Ich wusste, dass man Aal durchaus essen kann, und manche aßen ihn tatsächlich. Aber mir kam das ziemlich abwegig vor. Wie konnte man dieses glitschige, unheimliche Wesen, das kaum totzukriegen war, nur auf den Teller bringen? Das überstieg meine Vorstellungskraft, diesen Beifang empfand ich wirklich nicht als Bereicherung.

Ich glaube nicht, dass ich damals schon etwas von der rätselhaften Reise wusste, die dieser Aal hinter sich hatte. Dass mir bewusst war, wie er sich als kleine Larve von der Tiefsee auf den Weg gemacht hatte, um am Ende über Bäche und Stock und Stein als Aal bis hierher in den Hammarvatnet auf Frøya zu gelangen. Oder dass diejenigen Aale, denen ich nicht den Kopf abschnitt, genau das tun würden, wovon ich hier an der Küste immer träumte: hinausziehen in die große weite Welt. Ja, dass mein Aal im Hammarvatnet nicht nur in die weite Welt hinauswollte, sondern sogar bis ganz an ihr Ende, hinunter in die namenlosen Tiefen des sagenumwobensten und geheimnisvollsten aller Gewässer: der Sargassosee.

Früher Morgen mit Kaffee und Zeitung. Ein Artikel in der Lokalzeitung bringt mich dazu, an damals zurückzudenken, an die Aale in den Angelgewässern meiner Kindheit auf Frøya. Fotos zeigen Aale, die von den Turbinen des Wasserkraftwerks am Storelva in Tvedestrand geschreddert wurden. Ein bärtiger