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Seit der feierlichen Eröffnung des Grandhotels Schwarzenberg vor einer Woche befand sich Anna in einer Art Schockstarre. Michael Schwarzenberg, ihre erste Liebe, ihre große Liebe, der Mann, der ihr das Herz gebrochen hatte, war mit einem Paukenschlag nach Bad Reichenhall zurückgekehrt. Fünf lange Jahre, nachdem sie sich unter Tränen am Bahnhof voneinander verabschiedet hatten. Er hatte sein Glück in Amerika machen wollen, was ihm offensichtlich gelungen war. Der mittellose ehemalige Salzarbeiter war nun der Besitzer der Dawson Company und durfte sich zudem Hotelier nennen. Darüber hatte er wohl die arme Häuslerstochter Anna Gmeiner vergessen, der er daheim die Ehe versprochen hatte.
Zwei Briefe kurz nach seiner Überfahrt waren alles gewesen, das Anna erreicht hatte, danach hatte sie keinerlei Lebenszeichen mehr von ihm erhalten. Sie hätte ihn auch ohne einen Pfennig genommen, so verliebt war sie gewesen, aber ihr Vater hatte den Standpunkt vertreten, Michael könne keine Familie ernähren und die Einwilligung zur Ehe verweigert. Anna, damals noch nicht volljährig, musste sich fügen. Ein Jahr wollte Michael wegbleiben, es zu etwas bringen, und dann zu ihr zurückkehren. Stattdessen hatte die Ferne ihn verschlungen, in eine bittersüße Erinnerung verwandelt, die in Anna die ewige Frage aufwarf, was hätte sein können.
Und nun prangte sein Name in goldenen Lettern an der Fassade des palastartigen Gebäudes, das einen gesamten Häuserblock im Zentrum Bad Reichenhalls einnahm.Grandhotel Schwarzenberg. Ein Haus, das auch in Berlin oder Paris aufgefallen wäre. Vier luxuriös ausgestattete Stockwerke mit Zimmern und Suiten, Gourmetrestaurant, Ballsaal und einer weitläufigen Terrasse, die den hauseigenen Park überschaute.
Eine Woche lang hatte sich Anna zu Hause in der Schachtstraße verschanzt. Ebenfalls mitten im Ort, doch glücklicherweise nicht in Sichtwei