Kapitel 1:
Gut versorgte Patienten leben länger
Drei Wünsche an den AI-Doktor
Als Ende der 1990er-Jahre die ersten europäischen Gesundheitsportale, unbestreitbar inspiriert von ihren US-amerikanischen Vorbildern, gelauncht wurden, war die Aufregung in den medizinischen Communities groß. Vor allem innerhalb der Ärzteschaft wurde allen Ernstes die Frage diskutiert, ob eine derart weitgehende medizinische Information für Laien überhaupt zulässig sei oder ob sie nicht vielmehr eine systematische Sabotage des impliziten Behandlungsvertrages zwischen Arzt und Patient bedeute. Als Chefredakteur und späterer Co-Eigentümer der österreichischen Tochter des dänischen Start-ups netdoktor wurde ich in Interviews vor allem gefragt, ob der Besuch eines Gesundheitsportals den Arztbesuch ersetzen könne beziehungsweise solle. Ich war stets froh, dass ich diese Frage aus ganzem Herzen verneinen konnte und nicht in diplomatisches Geschwurbel ausweichen musste. netdoktor und die anderen medizinischen Internetangebote für Laien und Patienten wurden tatsächlich als komplementäre Services zum Arztbesuch gegründet. Vorab informierte Patienten – so die Hypothese – können den Arzt besser verstehen und trauen sich eher Fragen zu stellen. »Patienten, die viel fragen, sind äußerst lästig«, hat ein großer österreichischer Mediziner einmal in seiner Vorlesung gesagt und dann hinzugefügt: »Aber sie leben länger.« Das bringt es auf den Punkt: Durch fachlich korrekte und für Laien verständliche Informationen zu Krankheiten, Untersuchungen und Therapien werden die Patienten in der Beziehung zum Arzt gestärkt, sie werden fordernder, in vielen Fällen mühsamer, aber eben auch gleichberechtigter in ihrer Verantwortung für die eigene Gesundheit.
Natürlich beschränkt sich der Nutzen von leicht verfügbaren, allgemein verständlichen Gesundheitsinformationen nicht auf den Arztbesuch selbst. Studien zeigen, dass Patienten 40 bis 80 Prozent der Informationen des Arztes beim Verlassen der Praxis bereits wieder vergessen haben. Das liegt vor allem daran, dass sie sich a