3 Die Direkte Verhaltensbeurteilung als verlaufsdiagnostische Methode
Die praktische Umsetzung mehrstufiger Fördersysteme (siehe vorheriges Kapitel) erfordert prozessdiagnostische Methoden, die genutzt werden können, um den Fördererfolg auf den Stufen 2 und 3 zu evaluieren. Die Direkte Verhaltensbeurteilung (DVB) ist eine solche Methode für den Bereich des unterrichts- und schulrelevanten Verhaltens von SchülerInnen. In mehrstufigen Fördersystemen wird sie schwerpunktmäßig auf den Stufen 2 und 3 eingesetzt.
Doch was ist die DVB überhaupt? Was sind zentrale Merkmale der Methode? Wie kann sie zur Verlaufsdiagnostik in der Schule genutzt werden? Diese und weitere Fragen wollen wir in diesem Kapitel klären.
3.1 Was ist die Direkte Verhaltensbeurteilung?
Die DVB stellt eine Kombination der systematisch-direkten Verhaltensbeobachtung und der Verhaltensbeurteilung mit Ratingskalen dar (Christ et al. 2009). Beide Methoden sind in der Verhaltensdiagnostik etabliert. Die Idee der DVB ist es, die Stärken beider diagnostischen Herangehensweisen zu nutzen, um jeweils die Schwächen der anderen zu kompensieren. Im Folgenden wollen wir kurz beide diagnostische Methoden vorstellen, um anschließend die DVB als Hybridform beider Zugänge darzustellen.
Systematisch-direkte Verhaltensbeobachtung
Bei systematisch-direkten Verhaltensbeobachtungen wird ein konkretes Verhalten in einer konkreten Situation direkt, also quasi während des Auftretens des Verhaltens, beobachtet (z. B.Stemmler / Margraf-Stiksrud 2015). Hierzu ist es erforderlich, dass ein beobachtbares Verhalten so konkret und spezifisch wie möglich benannt wird (z. B. „Die Schülerin meldet sich“, „Der Schüler bleibt auf seinem Platz sitzen“, „Die Schülerin ruft in die Klasse“). Darüber hinaus sollte die Beobachtungssituation klar umgrenzt sein (z. B. eine Unterrichtsstunde) und in vergleichbare Beobachtungsintervalle (z. B. fünf Minuten) aufgeteilt werden (Spinath / Becker 2011). In dieser Beobachtungssituation wird dann für die festgelegten Intervalle die Intensität (Auftretenshäufigkeit oder Auftretenslänge) des spezifischen Verhaltens dokumentiert, z. B. anhand von Strichlisten. Ein solches Vorgehen wird auch alstime sampling bezeichnet. In den hier genannten Beispielen könnte dementsprechend für alle fünf Minuten einer Unterrichtsstunde für eine / n Schüler / in dokumentiert werden, wie oft sie / er sich gemeldet hat. Anschließend erfolgt eine Auszählung und eine Auswertung der gezeigten Verhaltensweisen. Hiermit sei auf eine elementar wichtig Eigenschaft von systematisch-direkten Verhaltensbeobachtungen hingewiesen: die Dokumentation des Auftretens des Verhaltens und die Interpretation des Verhaltens werden strikt voneinander getrennt!
Testgüte von Beobachtungen
Durch diese Vorgehensweise weisen systematisch-direkte Verhaltensbeobachtungen eine hohe Testgüte auf (Schmidt-Atzert / Amelang 2012): Das Verhalten wird hochgradig objektiv erfasst, da die Datenerhebung durch eine reine Dokumentation erfolgt, die in der Regel unabhängig vom Beobachter / von der Beobachterin ist. Außerdem kann über systematisch-direkte Verhaltensbeobachtungen das Verhalten sehr zuverläss