Sex war unbestreitbar der wirksamste Brandbeschleuniger, löste das ultimative Inferno aus – Schluss mit der Maskerade: Das hatte Claire Farel verstanden, als sie mit neun Jahren den Zerfall ihrer Familie miterlebte, weil ihre Mutter der magnetischen Anziehungskraft eines Medizinprofessors verfallen war, den sie auf einem Kongress kennengelernt hatte; sie hatte es verstanden, als sie, schon im Beruf, zusah, wie Personen des öffentlichen Lebens in kürzester Zeit alles verloren, was sie sich über Jahre hinweg aufgebaut hatten: Position, Ruf, Familie – gesellschaftliche Strukturen, die nur unter großen Mühen und mit Zugeständnissen-Lügen-Versprechungen, der Dreieinigkeit der haltbaren Ehe, stabil geblieben waren, sie hatte erlebt, wie sich die klügsten Vertreter der politischen Klasse für lange Zeit, manchmal sogar für immer, ins Aus beförderten, für nichts als ein flüchtiges Abenteuer, das Ausagieren einer Fantasie, den unbezwingbaren Drang des sexuellen Begehrens – alles, sofort. Sie selbst war ungewollt mitten in einen der größten Skandale der US-amerikanischen Geschichte geraten, als sie mit dreiundzwanzig ein Praktikum im Weißen Haus absolvierte, zur gleichen Zeit wie Monica Lewinsky, die Frau, die sich dadurch einen Namen machte, dass sie die Karriere von Präsident Bill Clinton ins Wanken brachte – und wenn nicht Claire den Platz der rundlichen Brünetten eingenommen hatte, die der Präsident liebevoll »mein Mädchen« nannte, dann nur, weil sie nicht dem damaligen Schönheitsideal des Oval Office entsprach: Sie trug ihr blondes Haar zu einem Zopf geflochten, war mittelgroß, eher schmächtig und erschien immer im maskulin geschnittenen Hosenanzug – nicht sein Typ.
Sie fragte sich häufig, was wohl geschehen wäre, wenn der Präsident sie auserwählt hätte, die kopfgesteuerte und impulsive Frankoamerikanerin, die das Leben am liebsten durch den Filter ihrer Lektüre erkundete, und nicht die pummelige, dunkelhaarige Monica mit ihrem Raubtierlächeln, die kleine jüdische Prinzessin, die in den begüterten Wohngegenden Brentwood und Beverly Hills aufgewachsen war. Ja, sie wäre dem Eros der Macht erlegen, hätte sich