: Ralf H. Dorweiler
: Die Gabe der Sattlerin Historischer Roman
: Verlagsgruppe Lübbe GmbH& Co. KG
: 9783732588053
: 1
: CHF 8.90
:
: Historische Romane und Erzählungen
: German
: 429
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB

Ein farbenfroher Roman um eine junge Sattlerin, einen bekannten Dichter und ein Gestüt, das Pferdefreunde bis heute fasziniert


1 81. Um einer Vernunftehe zu entgehen, flieht die junge Sattlerstochter Charlotte aus ihrem Heimatdorf. Zuflucht findet sie im Hofgestüt Marbach, wo der württembergische Herzog Carl Eugen die edelsten Pferde der Welt züchtet. Damit sie bleiben darf, muss Charlotte einen prunkvollen Sattel für seinen Lieblingshengst fertigen. Doch die Zeit dafür ist knapp bemessen, zumal ein Regimentsarzt, eine Räuberbande und der Sohn des Gestütsleiters für gefährliche Verwicklungen sorgen. Kann Charlotte sich in ihrem neuen Leben behaupten?



Ralf H. Dorweiler ist er an der geheimnisumwitterten Loreley aufgewachsen, zum Studium der Theater-, Film- und Fernsehwissenschaft zog es ihn ins lebenslustige Köln. Mittlerweile lebt er im Südschwarzwald, wo er als Redakteur einer großen regionalen Tageszeitung arbeitet und Romane schreibt. Ralf H. Dorweiler ist mit einer Opernsängerin verheiratet und Vater eines Sohnes.

KAPITEL 1

Märgen, Samstag, 28. Juli 1781


»Den Samen legen wir in ihre Hände,

Ob Glück, ob Unglück aufgeht, lehrt das Ende.«

Wallenstein inWallensteins Tod, 1. Akt, 7. Szene

Der Leinenstoff von Charlottes Arbeitskleid wehte hinter ihr, als sie über die mit Sommerblumen gesprenkelte Wiese auf Wälderwinds Weide zulief. In der rechten Hand hielt sie Halfter, Führstrick und eine knackige Mohrrübe. Der Hengst trabte ihr mit hochgestellten Ohren bis zum Gatter entgegen und erwartete sie mit einem zufriedenen Wiehern. Imposante Muskeln zeichneten sich unter seinem kastanienbraun glänzenden Fell ab. Den massigen Hals krönte eine strohhelle Mähne. Charlotte öffnete das Gatter und streichelte ihrem Pferd über die Nüstern. Mit klarem Blick schaute der Schwarzwälderhengst sie an und knabberte mit seinen Lippen an ihrer Hand.

»Ist ja gut. Schau, ich hab was für dich«, sagte sie lächelnd und hielt ihm die Möhre hin. Wälderwind kaute sie genüsslich und stupste Charlotte gleich darauf mit der Nase an, um weitere Leckereien zu ergattern.

»Nein, das reicht«, sagte sie mit gespielter Strenge. »Du kannst nachher mehr haben. Jetzt musst du erst einmal arbeiten. Der Vater braucht dich.«

Charlotte führte den Hengst über den gewundenen Weg hangabwärts. Inmitten der Sommerwiesen lag vor ihr der Sattlerhof mit dem stattlichen Wohnhaus, der angebauten Werkstatt und dem Stall. Das strohgedeckte Dach des Hauses reichte an allen Seiten weit über die Holzfassaden und den oberen Balkon hinaus und berührte am Hang fast den Boden. Im Winter schützte es seine Bewohner vor Wind und Schnee, an heißen Sommertagen wie heute spendete es kühlenden Schatten. Entlang der abseits des Hauptgebäudes errichteten Scheune führte der Weg durch den Tannenwald ins Dorf. Von Märgen waren von hier aus nur ein paar Dächer und die beiden Turmspitzen der Klosterkirche zu erkennen. Der Himmel über ihnen war weit und von einem andächtig tiefen Blau. Aus dem Westen blies der sanfte Wind ein paar Wolkenfetzen hoch über das Land.

»Spann ihn gleich an«, trug der Vater ihr auf, als sie das Haus erreichte.

Charlotte führte Wälderwind vor den Karren, in dem zwei geflickte Sättel, ein instand gesetztes Geschirr und allerlei Lederschnüre lagen. Der Vater wollte zum Gerber, um den abgearbeiteten Bestand an Lederbahnen wieder aufzustocken. Auf dem Weg dorthin lieferte er fertige Aufträge ab. Charlotte hatte ihn oft genug dabei begleitet.

»Der Sattler Frieder kommt«, riefen die Kinder aufgeregt, wenn er sich mit dem Karren einem Hof näherte. Sie rannten dann plappernd neben dem Wagen her. Manchmal brachte der Vater ihnen kleine Geschenke mit: mit Kieseln und Sand gestopfte Lederbälle für die Älteren und für ihre kleinen Geschwister Tierfigürchen, die Charlotte aus Resten zurechtgeschnitten und