Lucia
Die altersschwache Vespa stöhnte gluckernd und stieß vor Empörung schwarzblaue Wolken aus, aber Lucia war unerbittlich und drehte noch ein wenig am Gashebel.
»Komm schon, du schaffst es! Du hast es doch noch jedes Mal geschafft«, feuerte sie ihr Gefährt an. »Und gleich geht es bergab, das weißt du so gut wie ich.«
Ganz so als verstünde der kleine Motorroller ihre Worte, gab er sich tatsächlich einen Ruck und nahm die letzte Steilkurve mit Bravour. Lucia erreichte so das Plateau der Straße, die nach Capri-Stadt hineinführte, und genoss den atemberaubenden Blick von weit oben bis tief hinunter auf das Meer, die Steilküsten und die Scala Fenice, die Treppe, die zur Marina Grande hinabführte.
Lucia war auf Capri aufgewachsen, sie kannte diese Aussicht – von hier, aber auch von jedem anderen Punkt auf dieser kleinen Insel. Dennoch spürte sie jedes Mal aufs Neue, wie das Glück sie durchströmte, wenn sie auf das weite Meer hinaussah, auf die kleinen, in den Fels gehauenen Straßen, Treppen und Wanderwege, die üppigen Blütenkaskaden und die an den Berg geschmiegten hellen Häuser. Die wunderbar klare Luft umhüllte sie wie ein dünnes Seidentuch, aufregend belebend und doch Schutz bietend. Sie hörte die Schreie der Möwen unten im Hafen und roch den salzigen Duft des Meeres, der sich mit dem würzigen der Macchia, mit der die Insel bewachsen war, mischte. Und mit dem Gestank ihres Zweitakters, dachte Lucia belustigt und ließ die kleine Vespa beschwingt bergab rollen, wobei sie sich so weit in die Kurven legte, wie es mit dem hellblauen Roller möglich war.
Lucia genoss das Gefühl der Freiheit, das sie in solchen Momenten schier überwältigte – insbesondere da sie die leidvolle Erfahrung gemacht hatte, wie es war, auf all dies verzichten zu müssen. Aberbasta! Daran wollte sie jetzt nicht denken. Die junge Frau schüttelte ihre langen Haare, beugte sich tief über den Lenker, damit sie dem Gegenwind weniger Widerstand bot, und nahm Kurs auf die kleine Stadt.
Doch anstatt ins Zentrum zu fahren, machte die Straße einen scharfen Knick und führte nach Nordwesten in Richtung Marina Grande, dem Hafen. Dort fand am Vormittag der Markt statt, und Lucia steuerte mit ihrer Vespa einen schattigen Platz unter den Bäumen an. Sie stellte ihren Roller ab, schnappte sich die Basttasche, die zu ihren Füßen gestanden hatte, und machte sich auf die Suche nach den besten Waren – bevor die Touristen auf das kleine Eiland strömten und alles kauften, was sie in die Hände bekamen.
Es war noch früh am Morgen, und die Einheimischen waren zusammen mit den Stammgästen, die Appartements auf Capri besaßen, unter sich. Die grauen Wolken des Winters hatten sich endlich verzogen, die ersten Sonnenstrahlen entfalteten bereits ihre Kraft, und man sah es den Händlern und Einkaufenden an, dass sie es genossen, nicht mehr dick eingemummelt mit Schals und Handschuhen unterwegs zu sein, sondern dünne Jacken und leichte Schuhe anziehen zu können. Lucia hatte es sogar gewagt und ein sommerliches Blümchenkleid mit heller Strickjacke und Ballerinas angezogen. Sie fröstelte ein wenig, war aber nur allzu gerne bereit, das zu erdulden, denn das Gefühl, der Sommer stünde vor der Tür, war durch nichts aufzuwiegen.
»Ciao, Salvatore, come stai?«
Links, rechts, links gab es flüchtigebaci auf die Wange, dann hielt Salvatore Lucia auch schon ein paar gelbe Zucchini vor die Nase.
»Schau mal hier, die habe ich erst heute Morgen geerntet – f