Mein fünfunddreißigster Geburtstag vergeht ohne viel Tamtam. Es ist ein Arbeitstag wie jeder andere, und ich habe Spätdienst. Die Winterluft liegt kühl auf meiner Haut, als die Fähre sich gegen achtzehn Uhr an St. Agnes herankämpft. Die Strömung ist so stark, dass wir Higher Town nicht anlaufen können, und als ich schließlich den alten Kai an der Blanket Bay betrete, schlägt mir der vertraute Geruch von Holzrauch und frisch gepflügter Erde entgegen. Felsbrocken, Seetang und Messermuschelhäufchen sprenkeln den Sand der hufeisenförmigen Bucht. St. Agnes ist die wildeste und geheimnisvollste der Scilly-Inseln und liegt am weitesten vom Festland entfernt. Das Eiland ist nur zwei Meilen lang und eine halbe Meile breit und hat neben zahlreichen versteckten Buchten auch zwei winzige Nachbar-Inselchen: Burnt Island und Gugh. Weder Autos noch Motorräder stören die Ruhe; Golfbuggys, rostige Fahrräder und eine Handvoll Traktoren sind die einzigen Fahrzeuge hier.
Mein Hund Shadow wirkt zufrieden mit seiner neuen Umgebung, ich hingegen könnte ein bisschen mehr Aufregung gebrauchen. In letzter Zeit vermisse ich das hektische Tempo meines alten Jobs als Undercover-Ermittler bei der Londoner Mordkommission, aber mein Hund ist in seinem Element, beschnüffelt jeden Stein und weigert sich, meinen Anweisungen zu folgen. Shadow ist ein zwei Jahre alter tschechoslowakischer Wolfshund mit hellgrauem Fell, eisblauen Augen und dem Kopf voller Unsinn; er taucht erst wieder neben mir auf, als ich landeinwärts laufe. Der Spaziergang ist belebend genug, um mich vergessen zu lassen, dass ich eigentlich keine Lust habe, an meinem Geburtstag das traditionelle Feuerwerk der Insel zu beaufsichtigen.
St. Agnes wirkt wie ausgestorben; die Leute bereiten sich wohl auf die Besucher vor, die in ein paar Stunden aus Anlass der Guy-Fawkes-Nacht hier eintreffen. Ich begegne keiner Menschenseele, als ich bergauf zu dem Weiler im Zentrum der Insel gehe. In Middle Town wohnen die meisten der ungefähr achtzig Inselbewohner; das Dorf ist so malerisch, dass es häufig in den Hochglanzbroschüren der Tourismusbehörde auftaucht, die Cornwall als Reiseziel anpreisen. Der Leuchtturm der Insel steht auf einer kleinen Anhöhe und dominiert die Siedlung noch immer, obwohl er schon lange nicht mehr in Betrieb ist.
Erst als ich zum Cove Vean Beach hinunterlaufe, treffe ich auf eine Gruppe von Leuten, die an dem felsigen Strand ein Freudenfeuer errichten. Ihr Lachen dringt durch die Dunkelheit, während sie Paletten, Holzscheite und Treibholz fast zwei Meter hoch aufschichten. Ein anderer Trupp befestigt Feuerwerkskörper an einem Metallgerüst, und weitere Freiwillige schuften an einem riesigen Grill. Meine Ankunft dämpft die Stimmung merklich. Obwohl ich die meisten Inselbewohner schon mein Leben lang kenne, haben sie sich immer noch nicht an meine neue Rolle als Deputy Commander der Isles of Scilly Police gewöhnt. Ihre Gespräche verstummen, als sie mich bemerken. Für die Inseln sind insgesamt nur sieben Beamte zuständig, dennoch betrachten manche Einwohner uns mit Argwohn und ziehen es vor, Konflikte unter sich zu klären.
Ich bin überrascht zu sehen, dass die neueste Bewohnerin von St. Agnes, Naomi Vine, bei den Partyvorbereitungen hilft. Vine ist eine international renommierte Bildhauerin und erst vor rund einem Jahr hierhergezogen. Heute verrichten ihre Hände jedoch wenig glamouröse Arbeit, denn sie zerkleinern Paletten zu Brennholz. Vines schlanke Gestalt ist in eine Winterjacke