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Blut fordert Blut, dachte Louis Rey und wartete vor der schweren Stahltür. Er trug einen dunkelblauen Anzug von Armani, allerdings in einem Schnitt aus den neunziger Jahren, dazu zeitlose Schuhe von Gucci. Das zur Hälfte aufgeknöpfte Hemd war fast so weiß wie seine Haare, die auf dem Kopf und die auf der Brust. Er hielt eine kleine Sporttasche in der Hand, die durch den Kunstledergriff schon ganz schwitzig war.
Er spürte seinen Puls. Er ging schneller als normal. Kräftiger. Kein Wunder. Es lag an der Aufregung und dem Zorn. Denn Blut, überlegte Rey und starrte auf den mattgrauen Lack vor sich, Blut will fließen. Dazu ist es gemacht. Wie Benzin für Motoren. Es treibt den Körper an. Es hat nur diesen einen Zweck. Es pumpt durch die Adern und Venen und hält die große Maschine am Laufen. Blut ist der Saft des Lebens. Aber es braucht ein geschlossenes System. Wird es beschädigt, sucht sich das Blut seinen Weg, genau wie Wasser. Genau wie das Leben. Es läuft aus einem heraus und kommt nicht mehr zurück. So einfach ist das.
Viele drehen durch, sobald sie ein paar Tropfen verlieren. Denn weg ist weg, und die Reserven sind begrenzt. Ein Fingerhut voll versetzt manche Menschen bereits in Panik. Dabei verfügt jeder Mensch über fünf bis sechs Liter, je nach Konstitution, Männer mehr als Frauen. Bei einer Geburt geht allenfalls ein halber Liter verloren. Nicht der Rede wert. Erst ab zwei Litern wird es kritisch. Andererseits kann bereits ein Viertelliter nach der zehnfachen Menge aussehen, wenn man ihn überall an den Wänden und auf dem Fußboden verteilt. Schmeiß mal ein Bierglas an die Wand und stell dir die Pfützen und Spritzer in Rot vor. Das gibt schon eine ziemliche Sauerei, wusste Louis Rey und wartete weiter.
Schon seit fast fünf Minuten stand er hier. Vielleicht machten die Idioten das extra, um ihn zu ärgern, oder es war eine Art bescheuertes Ritual. Rey befeuchtete seine trockenen Lippen, streckte das Kinn hoch, rollte den Kopf im Nacken und zählte die Schrauben am Türrahmen, der ebenfalls aus Stahl und grau lackiert war.
Er hatte Blut auf jede nur erdenkliche Art und Weise fließen sehen. Aus manchen Menschen spritzte es wie aus einem defekten Schlauch. Es blubberte wie ein Geysir, tropfte wie ein leckender Wasserhahn oder floss gemächlich wie ein purpurner Fluss. Er hatte gesehen, wie es aus Schusswunden sprudelte, aus klaffenden Schnitten, zerquetschten Nasen, geplatzten Muskeln und offenen Brüchen rann. Manches Blut war hellrot, anderes dunkel. Es roch nach Metall, wenn es frisch war, und stank schon nach kurzer Zeit abartig – umso schlimmer, je älter es war.
Es gab Freaks, die auf Blut standen. Sie sahen es gern und machten manchmal irgendwelchen Scheiß damit, spielten herum und genossen es, wenn es warm an den Fingern klebte. Das Blut ihrer Gegner an den eigenen Händen: das stärkste Symbol für Macht. Tja. Für einige arme Irre war es eine Art Elixier, eine Droge. Gefährliche Typen, deren Sucht und Gier man zwar für sich ausnutzen konnte, vor denen man sich aber dennoch vorsehen musste, weil sie schlicht und ergreifend nicht ganz richtig im Kopf waren. Wandelnde Zeitbomben, die jederzeit explodieren konnten, und dann wollte man mit Sicherhei