: Viola Shipman
: Im Garten deiner Sehnsucht Roman
: S. Fischer Verlag GmbH
: 9783104912400
: 1
: CHF 10.00
:
:
: German
: 416
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Als die Chemieingenieurin Abby Peterson für eine neue Stelle nach Grand Haven an den Michigansee zieht, hofft sie, dass ihre kleine Familie hier ihr Glück findet. Nebenan wohnt ihre Vermieterin, die sie persönlich noch nicht kennengelernt haben. Iris Maynard lebt seit Jahrzehnten abgeschottet hinter einem turmhohen Zaun, der ihr Haus und ihr Grundstück umgibt. Nachdem sie ihren Mann im Krieg verlor, hat sie sich von der Welt zurückgezogen und lebt nur noch für ihre Pflanzen - und die Erinnerungen an ihre eigene Familie. Der Duft der Taglilien und Rosen, die Iris selbst züchtet, zieht Abby und ihre kleine Tochter magisch an. Vereint durch ihre Liebe zu Gärten, vertrauen sich Iris und Abby allmählich ihre Probleme an und lernen, dass Hoffnungen und Träume ebenso blühen können wie Blumen.

Viola Shipman arbeitet regelmäßig für People.com, Entertainment Weekly und öffentliche Rundfunkprogramme. Ihre Romane »Für immer in deinem Herzen«, »So groß wie deine Träume«, »Weil es dir Glück bringt« und »Ein Cottage für deinen Sommer« waren sofort Bestseller. Viola Shipman schreibt im Sommer in einem Ferienort, inspiriert von der grandiosen Kulisse des Michigansees.

Iris


Spätsommer1944

Wir sind auch eine Armee.

Auf meine Gartenhacke gestützt halte ich inne und betrachte die anderen Frauen, die mit mir den Boden bearbeiten. Wir tragen alle die gleiche Kleidung – Latzhosen und Sonnenhüte –, alle in Uniform, genau wie unsere Männer und Söhne auf der anderen Seite des Atlantiks.

Wir kämpfen für dieselbe Sache, nur auf andere Weise.

Ein leichter Sommerwind weht die Lake Avenue in Grand Haven, Michigan, entlang und streicht leise raschelnd durch Reihen von Tomaten, Karotten, Salat, Rüben und Erbsen. Ich begutachte das winzige Gemüsebeet zu meinen Füßen in dem kleinen Victory-Garten unserer Nachbarschaft und bewundere die schlichte Schönheit der roten Adern in den leuchtend grünen Mangoldblättern und das sprießende Kraut der Kohlrabis. Zufrieden lächle ich über ihre Fülle und meinen eigenen Einfallsreichtum. Ich hatte diese Gemüsesorten für unseren Victory-Garten vorgeschlagen, da sie leicht anzubauende Grundnahrungsmittel sind.

»Das Unkraut jätet sich nicht von allein.«

Als ich hochschaue, steht Betty Wiggins vor mir.

Wenn man Winston Churchill eine graue Perücke aufsetzen würde, denke ich,dann bekäme man Betty Wiggins, die selbsternannte Kommandantin unseres Victory-Gartens.

»Ich habe nur nachgedacht«, sage ich.

»Nachdenken können Sie zu Hause«, versetzt sie mir mit missbilligender Miene.

Ich nehme meine Hacke und entferne ein Büschel Unkraut. »Ja, Betty.«

Sie starrt mich an, dann mustert sie den Latz meiner Hose. »Hübsche Rose«, sagt sie, und ihre Miene wird noch missbilligender. »Halten wir uns heute vielleicht für Vivien Leigh?«

»Nein, Ma’am«, antworte ich. »Wollte mich damit nur aufheitern.«

»Heitern Sie sich zu Hause auf«, brummt sie finster. Ihr Blick bleibt an der Brosche in Form von Hyazinthen hängen, die ich mir an den Träger meiner Latzhose gesteckt habe, und wandert dann langsam zu den Margeritenohrringen aus Bakelit an meinen Ohrläppchen.

In der Hoffnung, Betty würde vielleicht verstehen, dass ich mich mit Dingen umgeben muss, die mir ein Gefühl von Sicherheit, Wärme und Freude geben, sehe ich sie an, aber sie geht mit einem »Hmpf!« davon.

Ich höre ein unterdrücktes Lachen, und als ich zu meiner Freundin Shirley hinübersehe, imitiert sie Bettys gewaltigen Hintern und ihren schwerfälligen Gang. Die Frauen um sie herum kichern.

»Halten wir uns heute vielleicht für Vivien Leigh?«, äfft Shirley Bettys Bariton nach. »Das wäre sie wohl gern.«

»Hör auf«, sage ich.

»Ist doch wahr, Iris«, fährt Shirley mit shakespearehaftem Theaterflüstern fort. »Da sind ja die Pferdehintern inVom Winde verweht noch hübscher als der von Betty.«

»Sie hat ja recht«, erwidere ich. »Ich bin heute nicht richtig bei der Sache.«

Unvermittelt nehme ich die Rose, die ich heute Morgen in meinem Garten gepflückt und in die Latztasche meiner Hose gesteckt habe, und werfe sie in hohem Bogen fort. Shirley macht einen Satz, dabei zertrampelt sie ein Tomatenpflänzchen und fängt die Rose im Flug auf.

»Lass das«, sagt sie. »Hör nicht auf sie.«

Sie schnuppert kurz an der pfirsichfarbenen Blüte,