: Joshua Wong
: Unfree Speech Nur wenn alle ihre Stimme erheben, retten wir die Demokratie
: S. Fischer Verlag GmbH
: 9783104912653
: 1
: CHF 14.00
:
: Gesellschaft
: German
: 208
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Was Malala für die Kinderrechte ist und Greta Thunberg für den Klimaschutz, das ist Joshua Wong für die Demokratie Joshua Wong - das Gesicht der Protestbewegungen in Hongkong - schreibt erstmals selbst darüber, wie er es mit der Supermacht China aufgenommen hat. In seinem Buch, das halb Memoir, halb Manifest ist, appelliert er an alle, sich im Kampf um Freiheit und Demokratie einzubringen. Ob wir in Hongkong leben oder anderswo, seine Botschaft ist klar: Wenn wir als freie Individuen leben wollen, müssen wir gemeinsam für Demokratie und Freiheit kämpfen. Schweigen wir, ist niemand in Sicherheit. Nur wenn wir sprechen, können wir etwas bewirken. Joshua Wong erreichte mit 14 Jahren das Unvorstellbare. Als China drohte, die Bildungspolitik in Hongkong zu ändern und die Erwachsenen schwiegen, veranstaltete er den ersten Studentenprotest in Hongkong gegen das Unterdrückungsregime: und gewann. Seitdem hat sich Joshua verpflichtet, unermüdlich für Demokratie und Menschenrechte zu protestieren. 2014 führte er die Regenschirm-Revolution an und spielt auch bei der aktuellen Protestbewegung eine zentrale Rolle. Hier erzählt er selbst, wie er es mit der Supermacht aufnahm und - und warum wir alle uns im Kampf für die Demokratie einbringen müssen. Mit einem Vorwort von Ai Weiwei

Joshua Wong, geb. 1996, ist das Gesicht der Protestbewegungen in Hongkong. Seit seinem  14. Lebensjahr ist er politisch aktiv: Damals gründetet der Scholarism und protestierte gegen die Einführung der Chinesischen Nationalen Erziehung in den Schulen Hongkongs - mit Erfolg. Bei der Regenschirm-Revolution spielte er eine tragende Rolle, wofür er 2018 für den Friedensnobelpreis nominiert wurde. TIME, Fortune und Forbes erklärten ihn zu einem der einflussreichsten Köpfe der Welt. Er ist Generalsekretär von Demosisto, einer Organisation, die sich für Hongkongs Selbstbestimmung einsetzt. Joshua Wong  wurde wegen seiner Protestaktionen bereits mehrfach vom chinesischen Staat verhaftet und hat über 100 Tage im Gefängnis verbüßt. »Unfree Speech« ist sein erstes Buch, das außerhalb von Hongkong veröffentlicht wird und mit dem er sich an ein internationales Publikum wendet.

1Ins Gelobte Land


Der Aufstieg der Neuen Hongkonger

Ich bin1996 geboren, im Jahr der Feuerratte, neun Monate bevor Hongkong an die Regierung Chinas zurückgegeben wurde.

Dem chinesischen Horoskop zufolge, das einen60-Jahre-Zyklus umspannt, ist die Feuerratte abenteuerlustig, rebellisch und geschwätzig. Obwohl ich als Christ weder an westliche noch an östliche Astrologie glaube, treffen diese Persönlichkeitsvoraussagen ziemlich genau den Nagel auf den Kopf – vor allem, was meine Redseligkeit angeht.

»Als Joshua noch ein Baby war, machte er sogar mit dem Fläschchen im Mund alle möglichen Geräusche, als würde er eine Rede halten.« Mit diesen Worten stellt meine Mutter mich immer noch neuen Mitgliedern unserer Kirchengemeinde vor. Ich selbst habe nicht die leiseste Erinnerung an mich als Baby, aber ihre Beschreibung ist absolut überzeugend, und ich glaube ihr aufs Wort.

Als ich sieben Jahre alt war, wurde bei mir Legasthenie diagnostiziert, eine Schreib- und Leseschwäche. Meine Eltern hatten die Anzeichen schon früh bemerkt, als ich mit den einfachsten chinesischen Schriftzeichen Schwierigkeiten hatte. Simple Wörter, die Vorschulkinder in wenigen Tagen lernten, wie »groß« () und »sehr« (), sahen für mich völlig gleich aus. Ich machte bis weit in meine Teenagerjahre hinein bei Hausaufgaben und Prüfungen immer dieselben Fehler.

Das Reden aber war von meiner Lernschwäche nicht beeinträchtigt. Durch selbstbewusstes Sprechen konnte ich meine Schwächen ausgleichen. Das Mikrophon liebte mich, und ich liebte es noch mehr. Als Kind erzählte ich in Kirchengruppen gern Witze und stellte Fragen, die selbst größere Kinder sich nicht zu stellen trauten. Ich bombardierte den Pastor und die Kirchenältesten mit Fragen wie: »Wenn Gott so voller Gnade und Sanftmut ist, warum lässt Er dann zu, dass arme Leute in Hongkong in Käfighäusern wohnen?« oder »Wir spenden der Kirche jeden Monat Geld, wohin geht dieses Geld?«

Wenn meine Eltern mit mir nach Japan und Taiwan reisten, schnappte ich mir das Megaphon des Touristenführers und erzählte den Leuten, was ich im Internet gefunden hatte über die Sehenswürdigkeiten vor Ort und über mögliche Ausflüge, sprang dabei von einem Thema zum nächsten, als wäre es das Natürlichste auf der ganzen Welt. Die Zuhörer klatschten mir Beifall.

Mit meiner Revolverschnauze und der angeborenen Wissbegier erntete ich Lob und Schmunzeln, wohin ich auch kam. Dank meiner geringen Körpergröße und den Pausbacken galt mein Verhalten, das anderenfalls vielleicht als nervig oder anmaßend empfunden worden wäre, als »niedlich«, »drollig« oder »altklug«. Während manche Lehrer und Eltern sich wünschten, dieser kleine Besserwisser würde gelegentlich den Mund halten, waren sie normalerweise in der Minderheit, und in der Schule und der Kirche waren alle ganz vernarrt in mich. »Ihr Junge ist etwas Besonderes. Aus dem wird eines Tages ein großartiger Anwalt!«, sagten die Kirchgänger zu meinem Vater.

Im Westen sehen die Menschen in einem altklugen Kind vielleicht einen aufstrebenden Politiker oder Menschenrechtsaktivisten, in Hongkong dagegen – einer der kapitalistischsten Gegenden der Welt – würde man solche Berufsziele dem ärgsten Feind nicht wünschen. Hier ist eine lukrative Karriere als Jurist, Mediziner oder Finanzexperte aus Sicht der Eltern der Inbegriff des Erfolges. Aber meine Eltern denken anders und haben mich auch anders erzogen.

Meine Eltern sind beide fromme Christen. Mein Vater war in derIT-Branche tätig, bevor er sich vorzeitig in den Ruhestand versetzen ließ, um sich auf Kirchenangelegenheiten und Gemeindearbeit zu konzentrieren. Meine Mutter arbeitet in einem lokalen Familienberatungszentrum. Sie haben1989 geheiratet, nur Wochen nachdem die chinesische Regierung Panzer auf den Platz des Himmlischen Friedens geschickt hatte, um dort die demonstrierenden Studenten niederzuschießen. Meine Mutter und mein Vater kamen überein, ihre Hochzeitsfeier abzusagen, und schickten handgeschriebene Zettel an Freunde und Verwandte mit einer einfachen Botschaft: »Unser Land steckt in der Krise, die Neuvermählten legen keinen Wert auf Förmlichkeiten.« In einer Kultur, in der ein kostspieliges Hochzeitsbankett ein ebenso wichtiger Übergangsritus ist wie die Hochzeit selb