2
Nachdem vor etwa drei Wochen ein zweiter Verbrecher versucht hatte, den Schlunz zu töten, hatten die Erwachsenen beschlossen, den Jungen zu beschützen. »Personenschutz« nannten sie das. Damit meinten sie, dass seitdem jeden Tag dieser schwarze Mercedes mit zwei bis drei Polizisten vor ihrem Haus stand. Und immer, wenn der Schlunz irgendwohin gehen oder fahren wollte, fuhr ihm das Luxusauto hinterher. Sogar in die Schule begleitete sie das Fahrzeug, wobei die Polizisten nie mit in die Klasse kamen, sondern bis zum Ende des Unterrichts an der Straße warteten. Dabei achteten sie auf alles, was ihnen ungewöhnlich vorkam.
In der ersten Woche hatten sich die Polizisten ihnen vorgestellt und ihnen erklärt, wie der Personenschutz in der nächsten Zeit aussehen würde. Zwei Teams mit jeweils drei Personen würden sich abwechseln und das Haus und den Schlunz beobachten. Natürlich so, dass der Schlunz sich nicht gestört fühlen sollte. Aber doch auch so, dass ständig zwei von ihnen in seiner Nähe waren, wenn er unterwegs war: am Stadtweiher, auf dem Fußballplatz, im Gottesdienst oder auch einfach wenn Lukas und er nur ihre ferngesteuerten Autos auf der Straße fahren ließen. Anfangs fand der Schlunz das »total cool« und er prahlte überall mit seinen »persönlichen Leibwächtern«, wie er sie nannte. Aber nach einer Woche nervte das schon einigermaßen, wenn einem andauernd ein bis drei Polizisten versteckt folgten. Nele traute sich noch nicht mal mehr, ohne Fahrradhelm ihr Fahrrad in die Garage zu schieben, weil sie immer das Gefühl hatte, die Polizisten schauten nicht nur nach dem Schlunz, sondern auch, ob die Kinder sich an alle Verkehrsregeln hielten.
Einer von ihnen hieß Berthold Bruchsal. Er war etwas älter als Mama und Papa und schien der Chef der Truppe zu sein. Er hatte einen Schnauzbart wie der Schutzmann im Kasperletheater und sprach auch immer ganz vornehm. Der zweite hieß Stefan Medeweiher. Der war mindestens zehn Jahre jünger als der andere. Und weil die Polizisten beim Beobachten keine Polizeikleidung, sondern normale Klamotten trugen, sah er eher aus wie einer der Supersportler aus dem Fernsehen. Die dritte Person vom Personenschutz war eine Frau: Sabine Gütersloh. Mit ihren blonden, schulterlangen Haaren hätte sie gut auch den Wettbewerb für Deutschlands nächstes Topmodel gewinnen können. Aber Lukas sah ihr auch an, dass sie sehr stark war und dass es ihr sicher ein Leichtes war, einen Verbrecher mit zwei gekonnten Griffen zu überwältigen. Manchmal war nur ein Personenschützer von ihnen vor dem Haus zu sehen. Manchmal zwei. Und wenn die Kinder zur Schule oder sonst wohin unterwegs waren, waren sie zu dritt. Und einer von ihnen, Stefan Medeweiher, stand jetzt vor ihnen: »Alles klar bei euch?«, fragte er.
»Ja«, sagte Schlunz. »Sieht man doch.«
»Was wollte die Frau gerade?«
Schlunz hob seinen Zeigefinger: »Ich weiß es. Sie wollte sich den wertvollen Nachttopf von Kaiser Franz dem Großen abholen.«
»Aha«, sagte der Polizist. »Trägt man den jetzt auf dem Kopf?«
»Ja«, sagte Schlunz und nickte. »Weil der Griff so dreckig ist, dass man ihn nicht anfassen möchte.«
Der Polizist lachte und kehrte zu seinem Wagen zurück.
Später waren sie mit Nele zusammen wieder im Geräteschuppen. Schlunz erklärte ihr: Wenn der Schuppen leer wäre, dann gäbe das eine Wohnung.
»Aha«, sagte Nele. »Und wer soll hier wohnen?«
»Na, wir natürlich. Wir Kinder.«
»Ich denke, da soll das Holz für den Kamin gestapelt werden.«
»Ja, aber erst im Frühling. Und bis dahin wohnen wir hier.«
»Hat Mama das erlaubt?«
Schlunz stöhnte kurz auf. »Mama und Papa dürfen das natürlich nicht wissen. Das ist ein Geheimversteck für Kinder.