: Shird Schindler, Iris Zachenhofer
: Die geteilte Seele Wie wir eins mit uns werden
: Edition A
: 9783990013588
: 1
: CHF 16.20
:
: Psychologie: Allgemeines, Nachschlagewerke
: German
: 240
: DRM
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
'Zwei Seelen wohnen, ach! in meiner Brust.' Goethe untertrieb, als er diesen Satz schrieb, denn in Wirklichkeit tragen wir alle vier 'Seelen', also vier verschiedene Persönlichkeiten in uns. Das ist gut so, denn so können wir die vielen unterschiedlichen Herausforderungen des Lebens meistern. Es gibt bloß einen Haken: Um unser volles Potenzial nu?tzen zu können, mu?ssen alle vier Persönlichkeiten etwa gleich stark entwickelt sein, und das ist bei den wenigsten Menschen der Fall. Die renommierten Psychiater Dr. Shird Schindler und Dr. Iris Zachenhofer helfen mit anschaulichen Beispielen und einem Test bei der Selbstanalyse und zeigen, wie wir die Teile unserer Seele in Einklang bringen.

Dr. Shird Schindler ist Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin. Er leitet das Zentrum für Suchtkranke und die Station für forensische Akutpsychiatrie und Begutachtung im Sozialmedizinischen Zentrum Baumgartner Höhe in Wien.

EINE MÄDELSPARTY UND ANDERE KATASTROPHEN


Die Sonne schien bereits verdächtig hell in mein Schlafzimmer. Ganz entfernt erinnerte ich mich, den Handywecker ausgeschaltet zu haben, mein Kopf dröhnte und vorsichtig griff ich nach dem Telefon, um mich zeitlich etwas zu orientieren. 8.20 Uhr. Ich schreckte hoch, denn, du meine Güte, ich sollte schon seit zwanzig Minuten in der Morgenbesprechung im Krankenhaus sitzen. Soweit das in meinem verkaterten Zustand möglich war, sprang ich auf, suchte ein paar Kleidungsstücke zusammen und lief ins Bad. Das Frühstück würde heute wohl ausfallen müssen, aber vielleicht konnte ich unterwegs einen Coffee to go organisieren.

Während ich im Wohnzimmer eilig meine Stiefel anzog, musste ich dennoch schmunzeln, als ich die Schachteln sah, die neuen Kleider, die darin gekommen waren, meine komplette über das Wohnzimmer verteilte Garderobe und die leeren Weinflaschen. Ich hatte den Abend, an dem meine beiden kleinen Töchter, die noch bei mir daheim lebten, bei einer Freundin übernachteten, wirklich gründlich genützt.

Drei meiner besten Freundinnen waren da gewesen. Wir hatten Spaghetti gegessen und dazu eine Menge Rotwein getrunken. Dann hatten wir abwechselnd meine online bestellten neuen Kleider angezogen, sie mit meinen alten Teilen kombiniert, und schließlich meinen gesamten Kleiderschrank ausgeräumt und durchprobiert. Es war einfach nur genial gewesen.

Als kein Wein mehr da gewesen war, hatten wir uns über den letzten verfügbaren Alkohol, eine halbe Flasche lauwarmen Campari hergemacht, was wohl meine Kopfschmerzen erklärte. Ich hatte nur eine vage Ahnung, wann alle gegangen waren, aber es musste lange nach zwei Uhr gewesen sein.

Mist, jetzt erinnerte ich mich auch noch dunkel daran, dass irgendwann eins der Mädels ihr Handy an die Boxen angesteckt hatte und wir mitten in der Nacht in meinen neuen französischen Kleidern Cancan getanzt hatten – was trotz der Dämpfung durch den geerbten Perserteppich auf meinem Wohnzimmerboden ziemlichen Krach gemacht haben dürfte, denn wir waren gut in Form gewesen. Die Mieter unter mir waren leider recht kleinlich, was Lärm betraf, das würde mir also bestimmt wieder einen bösen Brief von der Hausverwaltung einbringen.

Dabei hätte es eigentlich ein gemütlicher Abend werden sollen, eine Art Ausklang, nachdem ich nach dem fulminanten Ende meiner letzten Beziehung bereits mit verschiedenen Freundinnen in Bars und Nachtclubs meine neu gewonnene Freiheit gefeiert hatte. Doch es hatte einfach zu viel zu besprechen und anzuprobieren gegeben, und die Stunden waren vergangen wie im Flug.

Schlafen kann ich noch, wenn ich tot bin, hatte ich mir gedacht, als ich zum Spaß ein neues Cocktailkleid gemeinsam mit meinen ebenfalls neuen Stiefeletten probierte und den Mädels zeigte. Damit hatte alles angefangen. Nun hatte ich keine Ahnung, wie ich heute den Tag überstehen sollte, aber sei’s drum, wir hatten richtig Spaß gehabt, das war die Hauptsache.

Am Weg zum Bus spülte ich eilig zwei Aspirin mit einem Cappuccino hinunter. Meine Motivation, ins Krankenhaus zu fahren, hielt sich in Grenzen. Denn ich war weder körperlich noch mental auf der Höhe, wobei es bei meinem Job vor allem auf Letzteres ankam.