Sommernachtsträume
Kapitel 1: Holland in Not
In der Schule erzählen Lehrer Lügen über das Leben und die Liebe. Sie warten auf die Blüte, bis sie sehen, dass alles verwelkt ist. Sie geben vor, dein Bestes zu wollen, dabei ist ihnen dein Werdegang gleichgültig. Irgendwann klinkte ich mich aus dem System aus und begab mich auf eine Reise. Die Reise begann am Flussufer, gemeinsam mit Romy. Wir kifften jeden Tag.
Arvid saß am Schreibtisch vor seinem Notizbuch und manifestierte einige seiner Gedanken. Er fühlte sich unkonzentriert, was unter anderem daran lag, dass er eine hohe Menge Benzodiazepine genommen hatte. Um die Wirkung zu verstärken, hatte er zusätzlich drei Gläser Rotwein getrunken. Nun merkte er, dass das aufrechte Sitzen ihn zu sehr anstrengte und nahm das Notizbuch mit ins Bett. Dort schlug er eine neue Seite auf und hielt fest:
Dienstag. Viel zu viel Zeug. Aber es hilft, um die Stimmen in meinem Kopf für einige Zeit verstummen zu lassen. Mit aller Kraft halte ich die Fassade vom einigermaßen funktionierenden Arvid Svenson aufrecht. Mein Inneres bringe ich mit vielen bunten Smarties zum Laufen, und wenn ich dann halbwegs klarkomme, pflege ich mein Äußeres.
Irgendwann kommt dann noch meine Freundin vorbei und will ein paar nette Worte und Sex. Bitteschön, auch das. Sie merkt jedoch, wie sehr mich das alles anstrengt. Mit größter Mühe wirke ich halbwegs intakt, doch der Schein trügt. Ich muss allmählich resignieren. Im Grunde genommen bin ich total kaputt.
Scheiße, Mann. Ich wünschte, ich hätte auf meine Gesundheit geachtet, mich geschont. Ich wünschte, diese Horror-Psychose hätte mich nicht heimgesucht. Ich wünschte, mein Vater würde noch leben. Ich wünschte, ich könnte die Zeit zurückdrehen. Ich wünschte, ich wäre glücklich. Eines meiner Lieblingslieder beginnt mit der Zeile »you’re one of god’s mistakes.« Besser kann man meine Gefühlswelt derzeit nicht beschreiben.
Arvid legte den Notizblock weg und zündete sich eine Zigarette an. Er drehte sich anschließend zur Seite und stützte den Kopf auf den linken Arm, um eine Position einzunehmen, in der er nicht mit angezündeter Zigarette einschlafen würde. Als er aufgeraucht hatte, nahm er noch einen Schluck Rotwein. Dann wickelte er sich in seine Decke ein und drehte sich zur anderen Seite. Schnell fiel er in Tiefschlaf.
Am nächsten Morgen wachte Arvid mit Kopfschmerzen auf. Er steckte sich eine Zigarette an und ging in die Küche, wo er feststellte, dass der Kühlschrank leer war. Scheiße, jetzt muss ich raus, dachte er. Hektisch suchte er einige Kleidungsstücke aus dem überfüllten Wäschekorb zusammen, um anschließend schnellen Schrittes durch das Treppenhaus auf die Straße zu eilen. Er hatte es nicht weit bis zum nächsten Kiosk, wo er Cola, Jägermeister, Dosenravioli, Kekse und eine Tüte Chips kaufte. Beim Bezahlen schämte er sich für seinen extremen Tremor. Zu Hause angekommen bereitete er die Ravioli zu und brachte sie zusammen mit dem Jägermeister auf seinen Nachttisch. Nebenbei im Bett essend hielt er einige seiner Gedanken fest:
Es sind Fragmente meiner Erinnerungen, die mich versteinern, verbittern, schockieren. Kommt eines dieser Fragmente in mein Bewusstsein, drehen sich die Gesichter in meine Richtung, und die Gesichter werden schwarz. Wenn sich einige der schwarzen Gesichter zu mir drehen, wird mir kalt, und ich werde apathisch und enorm müde. Die Vergangenheit existiert nicht mehr, nur in Erinnerungen, doch für mich sind diese Erinnerungen bedrohlich. In diesen Momenten habe ich Angst, mich aufzulösen, zu sterben, innerlich.
Arvid wurde unterbrochen von seinem klingelnden Telefon. Es war seine Freundin Rom