Der Frühling des Jahres 1896 verdiente diese Bezeichnung nicht. Bis weit in den März verbarg sich die Sonne hinter dichten grauen Wolken, aus denen es sich wahlweise fest oder flüssig ergoss. Nun, am 30. April, schien es, als habe sich die Natur endgültig entschieden, das von vielen Weltuntergangspropheten zum bevorstehenden 20. Jahrhundert vorhergesagte Inferno um vier Jahre vorzuverlegen.
An diesem Nachmittag startete eine kleine Fähre von der Kanalinsel Alderney in Richtung englische Küste. Heftiger Seegang sorgte jedoch dafür, dass der Kapitän bereits nach wenigen Seemeilen befahl, an einer der kleineren vorgelagerten Inseln vor Anker zu gehen, um ruhigere See abzuwarten. An eine Weiterreise war in dieser Nacht beim besten Willen nicht zu denken.
So gingen die Gestrandeten dankbar auf das Angebot des Gastwirtes der einzigen Schänke dieses Eilands ein, die Nacht in seinen Räumlichkeiten zu verbringen. Während er selbst das Feuer im Gastraum anheizte, hieß der Wirt das Hausmädchen Tiffany – eine hübsche junge Frau von kaum mehr als 16 Lenzen – die Zimmer zu richten und den Gästen heißen Grog zu servieren.
Vor dem prasselnden Kaminfeuer fanden sich zwei Frauen – die eine jung, spindeldürr und recht nervös, die zweite wohl schon jenseits ihres 60. Lebensjahres, mit zu strengem Dutt gebundenem grauem Haar.
Ihr Begleiter – augenscheinlich gehörten diese drei zusammen – war ein beleibter älterer Herr mit freundlichen grauen Augen unter buschigen Brauen. Das Revers seines Jacketts präsentierte einen großen roten Fleck, der wahrscheinlich auf seinen Lunch schließen ließ.
Ihnen gegenüber nahmen eine Frau und ein Mann Platz.
Während er das Musterbeispiel eines englischen Gentlemans abgab – ein wenig steif und in sich gekehrt wirkend – zog das exotische Äußere der jungen Frau durchaus neugierigere Blicke auf sich. Ihr Umgang des Paares miteinander wirkte so vertraut, dass es gar nicht entsprechender Ringe an beider linken Hand bedurft hätte, sie als Ehegatten zu erkennen. Jedoch ließ sein fürsorgliches Verhalten ihr gegenüber vorsichtig keinen Zweifel daran, dass dieser Ehestand beiden noch recht frisch und ungewohnt vorkommen mochte.
Die ältere Dame beobachtete diese fremden Mitreisenden einige Zeit, beugte sich schließlich vor und richtete freundlich das Wort an sie.
»Furchtbares Wetter, nicht wahr? Da hat man seine Abreise gründlich geplant und organisiert – und dann macht einem das Meer einen Strich durch die Rechnung.«
»Immerhin sitzen wir hier warm und trocken. Ich denke, der Kapitän traf die richtige Entscheidung«, erwiderte der junge Mann freundlich, aber kurz angebunden.
»Oh, gewiss, Sir. Ich hoffe aber, dass Sie auf dem Festland keine dringenden Termine erwarten. Und kein erzürnter Arbeitgeber, der bereits auf seine Taschenuhr schaut.«
Seine Frau ergriff das Wort.
»Mein Mann ist Schriftsteller.«
Augenblicklich schien das Interesse der Grauhaarigen geweckt.
»Ein Autor, da schau her! Haben Sie etwas Bekanntes verfasst? Ich lese für mein Leben gern, wissen Sie?«
»Nun, vor ein paar Monaten erschien eine Reiselektüre von mir«, gab sich der Autor gespielt bescheiden.
»Eine Reiselektüre, na so was! Zu welchem Ort ging es denn? Nein, lassen Sie mich raten! Italien vielleicht? Oder Griechenland? Besuch der alten Tempel? Wobei, mit Blick auf Ihre bezaubernde Gattin möchte man annehmen, Sie bereisten die Kolonien, richtig?«
»Nicht ganz. Wir waren auf dem Mond.«
Drei ungläubig starrende Augenpaare richteten sich auf den Schriftsteller.
»Sie nehmen uns doch auf den Arm, nicht wahr?«, fragte die jüngere Frau, doch da beugte sich der ältere Herr vor und wies auf den Gentleman:
»Einen Augenblick. Ich glaube, von Ihnen hab