1
Eine unerwartete Versetzung
»Qu'est-ce qu'il veut cette fois – was will er denn diesmal schon wieder?«
Antoine Sturni stand gerade im Vorzimmer seines Direktors bei Elodie Lenz und nutzte die übliche lange Wartezeit für ein Schwätzchen, bevor er in die Höhle des Löwen gerufen wurde.
»Ich habe wirklich keine Ahnung. Er hat ein richtiges Staatsgeheimnis daraus gemacht. Aber ich muss Sie warnen. Seine Lippen umspielte immer ein süffisantes Lächeln, wenn er davon sprach, dass er demnächst mal ein ernstes Wörtchen mit Ihnen reden müsse.«
Das verhieß nichts Gutes. Besprechungen mit seinem direkten Vorgesetzten verhießen eigentlich nie etwas Gutes …
Wie immer ließ Bouget ihn ewig im Vorzimmer warten, obwohl er genau wusste, dass Sturni da war – ein Mittel, um ihm seine Macht zu demonstrieren. Gute Personalführung sah anders aus.
Nach einer gefühlten Ewigkeit war es so weit. Direktor Bouget rief seine Vorzimmerdame an und teilte ihr mit, dass sein für Mord und Totschlag zuständigercommissaire nun zur Audienz zu ihm kommen könne.
Elodie zwinkerte Sturni verschwörerisch zu und kniff ihm leicht in die Seite, als sie die Tür zum Büro des Direktors öffnete, um ihn hineinzulassen.
»Mein lieber Sturni, da sind Sie ja endlich.«
Ich bin schon seit fast einer Stunde hier, und das weißt du auch ganz genau, dachte er bei sich, lächelte aber nur freundlich.
»Womit kann ich Ihnen dienen, Herr Direktor?«
»Nicht so förmlich, mein Bester. Es gibt eine wichtige Angelegenheit, die ich mit Ihnen besprechen muss.«
Er fühlte sich immer unwohler in seiner Haut. Bouget war scheißfreundlich wie selten, und das konnte nur bedeuteten, dass er einen Anschlag auf ihn vorhatte.
»Wie ich Ihnen bereits sagte, war ich sehr zufrieden mit Ihrer Arbeit bei der Lösung des Mordes an Dr. Hasselfeld.«
Das hatte sich während seiner Ermittlungen aber ganz anders angehört. Damals hatte Bouget gedroht, ihn von dem Fall abzuziehen. Nach der Lösung des Falls hatte Bouget sich dann vor die Presse gestellt und so getan, als habe er den Mord am Kabinettschef des Präsidenten der Europäischen Kommission im Alleingang aufgeklärt.
»Allerdings sind mir bei Ihrer Ermittlungsarbeit einige Defizite aufgefallen, die eine Führungskraft, zumindest innerhalb meiner Polizeidirektion, nicht haben darf.«
Defizite? Wo bitte hatte er Defizite? Er hatte den komplexen Fall bravourös gelöst und Europa vor seinem Untergang bewahrt. Was wollte sein Chef denn noch?
Bouget selbst war seiner Auffassung nach das personifizierte charakterliche Defizit. Das sollte also kein Karrierehindernis sein, im Gegenteil.
»Sie sind ein hervorragender Ermittler, mit dem richtigen Riecher. Sie verstehen doch, was ich meine.«
Der Direktor schnickste ihm kumpelhaft mit dem Zeigefinger gegen seine zugegebenermaßen etwas zu groß geratene Nase. Dabei hielt er ihm die Hand vor sein Riechorgan, drückte seinen Zeigefinger gegen seinen Daumen, setzte ihn so unter Spannung und ließ ihn dann schnalzen, sodass sein Zeigefinger mit voller Wucht gegen Sturnis Nasenspitze titschte.
So vielcamaraderie hatte er bei seinem sonst so distanzierten Vorgesetzten noch nie erlebt. Den Nasenschnickser empfand er als direkten Eingriff in seine Intimsphäre, wollte aber mit einem Protest noch abwarten, bis er wusste, worauf Bouget mit seinem eigentümlichen Verhalten hinauswollte. Er rieb sich mit den Fingern über seine schmerzende Nasenspitze und wartete ab.
»Was Ihnen ein wenig fehlt, ist Weltläufigkeit, Esprit. Mir ist nicht verborgen geblieben, dass Sie sich mit den Ermittlungen im Brüsseler Milieu etwas schwergetan haben.«
Das konnte man wohl sagen. Nicht zuletzt deshalb, weil sein Direktor ihm untersagt hatte, just in diesem Milieu zu ermitteln.
Zugegebenermaßen sprach Bouget mit seiner Kritik einen wunden Punkt an. Er war ein elsässisches Landei. Die Ermittlungen in der großen, weiten Welt, die ihn in diesem Mordfall nach Brüssel und Frankfurt führten, hatten ihm viel abverlangt. Antoine bekam Beklemmungen, wenn er das Elsass verlassen musste, und sein Direktor wusste um diese Schwäche.
»Deshalb habe ich mich dazu entschieden, Ihnen eine Personalentwicklungsmaßnahme angedeihen zu lassen.«
Personalentwicklungsmaßnahme? Angede