: Tommie Goerz
: Stammtisch - Frankenkrimi Friedo Behütuns' achter Fall
: ars vivendi
: 9783747200520
: 1
: CHF 8.90
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: Krimis, Thriller, Spionage
: German
: 250
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
An einem Stammtisch irgendwo im tiefsten Franken sitzen die Männer beim Bier zusammen. Schweigen. Und reden sogar. Über den Ort, was so los ist, über Politik, auch über die große. Man ist nicht zimperlich beim Beurteilen der Vorgänge in der Welt, die oft so weit weg ist. Das könnte ewig so weitergehen, doch da, eines Abends, öffnet sich die Tür des Wirtshauses, und die große weite Welt ist plötzlich da: zwei Flüchtlinge, verängstigt, verletzt, gehetzt. Am nächsten Tag sind die beiden verschwunden. Was ist mit ihnen geschehen? Als man auf eine Spur stößt, die hinunter zum Fluss führt, schaltet sich die Kripo ein. Wurde den beiden Gewalt angetan, wurden sie in den Fluss getrieben, ertränkt? Der Nürnberger Kommissar Friedo Behütuns ermittelt - und trifft am Stammtisch wie im Ort auf eine Mauer des Schweigens.

Tommie Goerz (Dr. Marius Kliesch) hat Soziologie, Philosophie und Politische Wissenschaften studiert und wohnt in Erlangen. Er arbeitete zwanzig Jahre bei einem der größten Agenturnetzwerke der Welt, gewann den Bronzenen Löwen in Cannes und war Dozent an der Georg-Simon-Ohm-Hochschule Nu?rnberg und der Faber-Castell-Akademie in Stein. Bei ars vivendi erschienen u. a. seine Kriminalromane Schafkopf (2010), Dunkles und Leergut (beide 2011) sowie Auszeit (2012), Einkehr (2014), Schlachttag (2016) und Nachtfahrt (2018) um Kommissar Friedo Behütuns.

 

Da ist mir denn erst klargeworden, was Schweinebraten heißt.

Und dazu […] das Kulmbacher Bier, das immer frisch gereicht wurde

Theodor Fontane, »Wanderungen durch die Mark Brandenburg«

 

I

Das war einfach nur dumm: hierherzufahren, ohne das Wörterbuch einzupacken. Er hatte es daheim liegen lassen. Auf dem Küchentisch, er sah es förmlich noch vor sich. Und da saß er nun und scheiterte an der Speisekarte. Bescheuert.Entrée + plat ou Plat + dessert kostete gegen jede Logik fünf Euro weniger alsEntrée + plat + dessert? Zweimal Plat sollte günstiger sein als Plat? Oder hatte er eine Blockade im Kopf? Er verstand es nicht. Die unterschiedliche Schreibweise von Plat, einmal groß, einmal klein, hatte sicher nichts zu bedeuten, das war bestimmt ein Schreibfehler. Und auch hier: Was warBavette d’Aloyau, wasFilet de Caille? Er schaltete sein Handy ein, hoffte auf ein gutes Netz.

Es war der Abend des 26. Juli, ein Donnerstag. Friedo Behütuns, Nürnberger Kommissar und Chef der Sonderkommission Metropolregion Nürnberg, befand sich mitten in Frankreich, gut 800 Kilometer von zu Hause entfernt und auf der Fahrt zu dem Häuschen in der Bretagne, das nach dem tragischen Tod seiner Freundin Julie plötzlich seines war, denn sie hatte es ihm, warum auch immer, ohne sein Wissen testamentarisch vermacht. Südlich von Paris hatte ihn die Müdigkeit übermannt. Eine halbe Stunde hatte er sich gequält und wollte es sich nicht eingestehen, dann aber gab er den Widerstand auf. Es machte keinen Sinn weiterzufahren.

Er hatte diesmal eine neue Route ausprobiert. Autobahn Frankfurt, Karlsruhe, Metz bis kurz vor Reims, bei Châlons-en-Champagne auf die E17 und nach Süden, bei Troyes via E54 wieder westwärts über Sens bis Courtenay, und da endlich runter von der Autobahn. Eintauchen ins Land, das man nur auf den Landstraßen wahrnimmt, spürt. Autobahnen sind überall gleich. Steril. Nur zum Ankommen gebaut, nicht zum Fahren. Auf ihnen ist das Ziel das Ziel, nicht der Weg. Dann aber, noch vor Montargis, hatte ihn die Erschöpfung eingeholt, ihn gepackt und nicht mehr losgelassen. Eigentlich hatte er durchfahren wollen. Nürnberg–Saint-Gildas-de-Rhuys in einem Rutsch, rund 1.300 Kilometer. Musste doch gehen, früher waren sie die mehr als 1.400 Kilometer bis an die Côte d’Argent ja auch am Stück gefahren. Nur Landstraße. Und mit Autos, die noch viel langsamer waren. Mit Käfern oder Enten, die deutlich weniger PS hatten. Schräge Beschreibung eigentlich: Käfer und Enten mit weniger Pferden. Aber Autofahrer waren oft nicht ganz richtig im Kopf, das sah man auch an den Panzern, mit denen sie heute durch die Städte fuhren. Dreieinhalb Tonnen Unsinn für Kleinhirngesteuerte. Er schob den Gedanken beiseite, Dumme gab es immer und überall. Wo war er stehen geblieben? Ach ja, bei der Müdigkeit. Nach 800 Kilometern hatte er es sich eingestehen müssen: Er schaffte es nicht mehr. Mit zunehmendem Alter macht sich halt doch manchmal ein bisschen Vernunft bemerkbar – oder verhielt sich die Vernunft umgekehrt proportional zur Fitness? Je schlapper du bist, desto vernünftiger? Keine Chance, diese Frage jetzt zu klären. Die Augäpfel rollten sich ihm nach hinten, die Lider wurden bleischwer, und es halfen weder Frischluft oder Trommeln aufs Lenkrad noch laute