: Samira Mousa
: Und morgen die Welt Wie ich einen Schicksalsschlag in das größte Abenteuer meines Lebens verwandelte
: Eden Books - ein Verlag der Edel Verlagsgruppe
: 9783959102247
: 1
: CHF 10.80
:
: Politik, Gesellschaft, Wirtschaft
: German
: 240
: kein Kopierschutz
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Einmal rund um den Globus - Mit Multipler Sklerose auf Weltreise Samira Mousa erhält mit Anfang zwanzig die Diagnose Multiple Sklerose. Als Reaktion darauf beschließt sie, ihren Job bei einer Berliner Musikagentur zu kündigen, startet einen erfolgreichen MS-Blog und wandert nach Santiago de Compostela. Berlin, Deutschland, ihr »altes« Leben reichen ihr schon bald nicht mehr. Sie sehnt sich nach Freiheit und Abenteuern, sie möchte leben, und zwar jetzt. Die MS ist ihr Warnschuss und so verabschiedet sie sich vom ewigen »Irgendwann mache ich das noch«, sagt ihrer Heimat Berlin Lebewohl und macht sich trotz aller Warnungen auf zu ihrem bisher größten Abenteuer: eine Reise um die Welt. Doch wird das hart erarbeitete Geld reichen? Was, wenn sich die Krankheit verschlechtert? Was, wenn sie Sicherheit und Festanstellung aufgibt, ihr Leben hinschmeißt, nur um in ein paar Monaten später pleite, gescheitert und krank zurückzukehren? Samira Mousa reist durch Europa, Asien, Amerika und wieder zurück nach Deutschland und lässt ihre Leser teilhaben an ihren Herausforderungen, Freundschaften und ihrem Weg zu sich selbst.

Als bei Samira Mousa vor sechs Jahren Multiple Sklerose diagnostiziert wird, bricht für sie die Welt zusammen. Doch eines wird schnell klar: »Ich will so frei, erfüllt und glücklich leben wie nur möglich - auch mit MS«. Mit dieser Idee im Herzen macht sie sich auf zu einer Reise um die Welt. Sie betreibt nun von überall auf dem Globus ihren Blog »chronisch fabelhaft«, der zu den erfolgreichsten deutschen MS-Blogs gehört.

Anjas Anruf


Als ich Stunden später völlig orientierungslos und verwirrt aufwache, habe ich einen Riesenhunger. Ein Blick nach draußen verrät mir, dass der Regen sich mittlerweile gelegt hat. Nun ist der Weg gesprenkelt von großen Pfützen, in denen sich immer wieder für Sekundenbruchteile das Licht der vorbeifahrenden Motorroller und Tuk-Tuks spiegelt. Ich fühle mich klebrig und matt. Auch ein bisschen allein. Aber gut. So, so gut. Da draußen liegt es, das Abenteuer, für das ich so lange gekämpft habe. Für das ich nach der Arbeit noch unzählige Stunden zu Hause am Laptop gesessen, Bücher durchgewälzt, Webseiten durchforstet und mir einen massiven Druck gemacht habe. Dieser löst sich nun – zumindest für einen kleinen Moment. Denn die wahren Herausforderungen, die stehen mir noch bevor. Das weiß ich.

Vorsichtig, um auf den glatten Stufen nicht auszurutschen, schleiche ich ins Bad. Immer noch bin ich komplett allein. Durch das fehlende Internet fühle ich mich wie abgeschottet von der Welt, die da draußen vor den Holzmauern doch so laut und einladend tobt. Ja, ich komme, denke ich und stelle mich unter die Dusche. Der Wasserstrahl, der sich aus ihr ergießt, ist eiskalt wie ein Bergbach. Er küsst meine Haut, meinen Kopf und meinen Geist wach. Hurtig springe ich aus der Dusche und rubbele mich trocken. Ich habe eine Gänsehaut. Ein Blick in den Spiegel. Eine klein gewachsene junge Frau mit einem runden Gesicht sehe ich da. Etwas blass ist sie. Die braunen Haare hängen ihr nass in die Stirn und wirken fast schwarz in dem schummrigen Licht. Die Augen, meine Augen, schauen mich an. Erwartungsvoll. Gespannt. Bereit, sich diese ganze verdammte Stadt, ja dieses ganze verdammte Leben endlich selbst unter den Nagel zu reißen.

Während ich mich anziehe, klopft es unten an der Tür. Ich schlüpfe schnell in das lange, leichte Kleid mit dem schwarz-weißen Muster, das mir für meinen ersten Abend angemessen erscheint, und laufe hinunter, um zu öffnen. Die kleine Rosinendame steht wieder da. Wieder breit lächelnd hält sie mir einen Zettel hin, auf den eine Nachricht gekritzelt wurde. Ich nehme ihn entgegen, und die Frau legt ihre Hände vor der Nase zu einemwai zusammen. Diese typische thailändische Geste wird mir noch oft begegnen. Sie kann vieles bedeuten: einen Gruß, eine Entschuldigung, ein Dankeschön. Je nach Höhe der aneinandergelegten Hände gibt sie auch Auskunft über den sozialen Status der begrüßten Person. Einwai auf Brusthöhe wird meist verwendet, wenn zwei Menschen sich noch nicht kennen oder wenn das Gegenüber den gleichen sozialen Status innehat wie man selbst. Denwai auf Gesichtshöhe bekommenfarangs, wie Ausländer hier genannt werden, oft zu sehen – er wird angewendet, wenn man etwas an einem Marktstand kauft, wenn man Fotos macht, wenn man einfach freundlich und offen ist. Derwai über der Stirn ist Mönchen und Buddhastatuen sowie dem Inneren von Tempeln vorbehalten. Beim Beten lehnen sich die Gläubigen dreimal nach vorn, mit den zusammengelegten Händen über dem Kopf. Die Handflächen werden in der Vorbeuge geöffnet und berühren den Boden. Natürlich weiß ich all das in diesem Moment noch nicht, und so lächle ich die Frau einfach nur vergnügt an und bedanke mich für die Nachricht. Während die Rosinendame zwischen den immer wieder aufblitzenden Pfützen davontrippelt, setze ich mich mit dem Stück Papier an den Tisch in der kleinen Küche im Erdgeschoss. Die Tür lasse ich offen, um den Abendwind, der hier leise weht, und mit ihm die Gerüche und Geräusche von draußen endlich hereinzulassen. Ich lade sie ein, mich abzuholen.

Ich falte den feucht gewordenen Brief auf. Er stammt von Sun, meinem Vermieter, mit dem ich vor meiner Anreise auch schon lockeren Kontakt gepflegt habe. Er scheint sehr nett zu sein und spricht passables Englisch. »Sorry Samira, dass ich hier nicht so sein konnte als du angekommen«, steht da. »Ich arbeiten. Morgen wenn willst du ich kommen und ich zeigen dir alles. Mit Internet gerade kaputt aber ich machen gut. Morgen. Dein Sun.«

Nachdem ich die Nachricht gelesen habe, hole ich meinen kleinen Ru