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Er blieb diesen ersten Tag und dann noch zwei Tage. Immer hat man ein Zimmer zuwenig. Nicht genug Luft, die Zeit rationiert und die Wände zu dünn. Könnten gut noch einen Haustürschlüssel brauchen. Er kam am Abend zum Essen und blieb, bis Carina im Bett war. Er hat sich Wein mitgebracht und muß Sibylle und mir eine erneut revidierte, vorläufig gültige, erheblich gekürzte Version von sich und Pascale und der Trennung und von ihren letzten gemeinsamen Tagen. Und wird noch viel Arbeit damit für die Zukunft. Kramt in seiner übermüdeten Reisetasche, die immer spielt, daß sie ein großer geduldiger Hund ist. Ein Hund, der oft schnauft und viel Schlaf braucht. Kramt, sucht, murmelt und muß dann nochmal weg. In die Nacht hinein. Kurz vor elf. Ich ging ein paar Schritte mit. Der Tannenbaum zu. Der Wirt verschläft manchmal einen Tag und weiß dann am nächsten Tag nicht, ob der gestrige Tag nicht gewesen oder hat er ihn bloß wieder zwischen Küche, Bad, Bett, Gedächtnis und Theke verlegt? Verlegt und verkramt und vergessen? Wo suchen? Herbst geworden! Im Oktober um elf Uhr abends an einem normalen Werktag ist es still bei uns in der Straße. Stille Fenster. Leise die Katzen. Sogar die Straßenlampen sind still und mild und verschwiegen ihr Licht auf dem alten Pflaster. Nur höchstens nach Mitternacht ein paar wenige späte Gäste noch aus den Kneipen heim. Haben das Ende des Sommers verpaßt. Müd ihre Schritte und Stimmen. Fenster zu. Rolläden in der Nachbarschaft. Einzeln ein spätes Auto. In einem Buch müßte so ein spätes einzelnes Auto etwas bedeuten. Schritte, die Straßenlampen, das alte Pflaster. Vorwurfsvoll eine Haustür, die schon den ganzen Abend gewartet hat. Noch vom Sommer her ein verwehtes Gelächter. Der Wind. Einmal ist dir, als ob du schon länger dich selbst reden hörst unterm Fenster. Erst unterm Fenster, dann zwei Häuser weiter. Schritte, Stimmen, der Wind. Und danach dann die Stille noch stiller. Besonders im letzten Abschnitt. Hier nach der Kreuzung, wo die Straße zur Sackgasse wird. Wie ein großer Hof. Nachmittags spielen Kinder. Ball, Fahrrad, Rollschuhe, Totschießen, Federball, Hüpfseil und Balancieren. Hell ihre Stimmen zwischen den Häusern. Und solang es geht, in den Abend hinein. Schulkinder! sagt Carina. Still wie ein großer Hof wird die Straße am Ende. Ein Hof, der den Katzen und Tauben und Amseln und Kindern, ein Hof, der keinem und allen gehört. Zwischen den Steinen wächst Gras. Am Ende der Straße zwei Torbögen. Der eine zur Schloß-, der andre zur Adalbertstraße. Durchgang für Fußgänger. Auf die Torbögen zu.Siehst du, jetzt ist er weg! Lang ein Mercedes-Kleinbus. Campingeinrichtung. Dachgepäckträger. Und stand hier und war zu verkaufen. Letzten Herbst, dann im Frühling und auch schon den Sommer davor. Erst dreitausendvierhundert und das war schon billig! Mit Kühlschrank, Klapptisch, Gasherd und Bett. Wandschränke. Mehrere Betten. Sommerreifen, Winterreifen, Dachgepäckträger.TÜV neu. Neuer Austauschmotor. Sogar Vorhänge an den Fenstern. Gardinen mit Bändchen und Schleifchen. Ein Karomuster. Standheizung. Kardanwelle. Alles komplett. Zum darin wohnen. Sogar für immer. Auf Wunsch mit Wassertank. Warum nicht einen Türkei-Import anfangen? Eine Wohnung mit Warenlager in Frankfurt und eine in Istanbul und immer hin und her. In der Türkei sind türkische Nachttischlämpchen spottbillig. Außer uns weiß das keiner. Schon in Griechenland sind sie billig, aber in der Türkei noch billiger. Was noch? Fragten Sibylle und Pascale, weil sie dachten, sie sind Realisten. Wir standen am Straßenrand neben dem Bus. Ein Abend im Sommer vor einem Jahr. Alles, sagte ich, in Gedanken schon unterwegs. Teppiche, Türgriffe, türkische Schraubenzieher. Morgen mache ich eine Liste. Man kauft Ingwer un