: Peter Kurzeck
: Rudi Deuble, Alexander Losse
: Der vorige Sommer und der Sommer davor Das alte Jahrhundert 7
: Schöffling& Co.
: 9783731761693
: 1
: CHF 17.90
:
: Gegenwartsliteratur (ab 1945)
: German
: 656
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
'Im siebten Band der autobiographisch-poetischen Chronik 'Das alte Jahrhundert' führt uns Peter Kurzeck in einer großen Rückblende in den Sommer 1983 und den Sommer davor. Früh im Juni trampen der Erzähler, Freundin Sibylle und Tochter Carina nach Barjac in Südfrankreich. Sein Freund Jürgen hat dort zusammen mit Pascale ein kleines Restaurant aufgemacht. Sie bleiben ein paar Tage, und weiter geht es per Autostopp nach Saintes-Maries-de-la-Mer. Ein Buch über den Süden, über Arles, die Camargue mit ihren Pferden, Stieren, Flamingos, den Markt und das Meer. Ein Buch über das Trampen und dann den Restsommer in Frankfurt, den griechischen Biergarten in Bockenheim, den Ausflug ins Mainfränkische. Ein Buch über fragiles Glück, eingefangen im Blick auf das Alltägliche, das Kurzeck durch seinen einzigartigen Ton zum Leuchten bringt.'

Peter Kurzeck geboren 1943 in Böhmen, aufgewachsen in Staufenberg bei Gießen. Später lebte er in Frankfurt am Main und Uzès (Südfrankreich). Von dieser Anfangszeit in Frankfurt und der Arbeit an seinem ersten Roman handelt das Parisbuch. Ab 1992 schrieb er an der autobiografischen Romanfolge Das alte Jahrhundert. Er erhielt zahlreiche Literaturpreise, u. a. den Alfred-Döblin- und den Robert Gernhardt-Preis. Peter Kurzeck starb 2013 in Frankfurt am Main.

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Er blieb diesen ersten Tag und dann noch zwei Tage. Immer hat man ein Zimmer zuwenig. Nicht genug Luft, die Zeit rationiert und die Wände zu dünn. Könnten gut noch einen Haustürschlüssel brauchen. Er kam am Abend zum Essen und blieb, bis Carina im Bett war. Er hat sich Wein mitgebracht und muß Sibylle und mir eine erneut revidierte, vorläufig gültige, erheblich gekürzte Version von sich und Pascale und der Trennung und von ihren letzten gemeinsamen Tagen. Und wird noch viel Arbeit damit für die Zukunft. Kramt in seiner übermüdeten Reisetasche, die immer spielt, daß sie ein großer geduldiger Hund ist. Ein Hund, der oft schnauft und viel Schlaf braucht. Kramt, sucht, murmelt und muß dann nochmal weg. In die Nacht hinein. Kurz vor elf. Ich ging ein paar Schritte mit. Der Tannenbaum zu. Der Wirt verschläft manchmal einen Tag und weiß dann am nächsten Tag nicht, ob der gestrige Tag nicht gewesen oder hat er ihn bloß wieder zwischen Küche, Bad, Bett, Gedächtnis und Theke verlegt? Verlegt und verkramt und vergessen? Wo suchen? Herbst geworden! Im Oktober um elf Uhr abends an einem normalen Werktag ist es still bei uns in der Straße. Stille Fenster. Leise die Katzen. Sogar die Straßenlampen sind still und mild und verschwiegen ihr Licht auf dem alten Pflaster. Nur höchstens nach Mitternacht ein paar wenige späte Gäste noch aus den Kneipen heim. Haben das Ende des Sommers verpaßt. Müd ihre Schritte und Stimmen. Fenster zu. Rolläden in der Nachbarschaft. Einzeln ein spätes Auto. In einem Buch müßte so ein spätes einzelnes Auto etwas bedeuten. Schritte, die Straßenlampen, das alte Pflaster. Vorwurfsvoll eine Haustür, die schon den ganzen Abend gewartet hat. Noch vom Sommer her ein verwehtes Gelächter. Der Wind. Einmal ist dir, als ob du schon länger dich selbst reden hörst unterm Fenster. Erst unterm Fenster, dann zwei Häuser weiter. Schritte, Stimmen, der Wind. Und danach dann die Stille noch stiller. Besonders im letzten Abschnitt. Hier nach der Kreuzung, wo die Straße zur Sackgasse wird. Wie ein großer Hof. Nachmittags spielen Kinder. Ball, Fahrrad, Rollschuhe, Totschießen, Federball, Hüpfseil und Balancieren. Hell ihre Stimmen zwischen den Häusern. Und solang es geht, in den Abend hinein. Schulkinder! sagt Carina. Still wie ein großer Hof wird die Straße am Ende. Ein Hof, der den Katzen und Tauben und Amseln und Kindern, ein Hof, der keinem und allen gehört. Zwischen den Steinen wächst Gras. Am Ende der Straße zwei Torbögen. Der eine zur Schloß-, der andre zur Adalbertstraße. Durchgang für Fußgänger. Auf die Torbögen zu.Siehst du, jetzt ist er weg! Lang ein Mercedes-Kleinbus. Campingeinrichtung. Dachgepäckträger. Und stand hier und war zu verkaufen. Letzten Herbst, dann im Frühling und auch schon den Sommer davor. Erst dreitausendvierhundert und das war schon billig! Mit Kühlschrank, Klapptisch, Gasherd und Bett. Wandschränke. Mehrere Betten. Sommerreifen, Winterreifen, Dachgepäckträger.TÜV neu. Neuer Austauschmotor. Sogar Vorhänge an den Fenstern. Gardinen mit Bändchen und Schleifchen. Ein Karomuster. Standheizung. Kardanwelle. Alles komplett. Zum darin wohnen. Sogar für immer. Auf Wunsch mit Wassertank. Warum nicht einen Türkei-Import anfangen? Eine Wohnung mit Warenlager in Frankfurt und eine in Istanbul und immer hin und her. In der Türkei sind türkische Nachttischlämpchen spottbillig. Außer uns weiß das keiner. Schon in Griechenland sind sie billig, aber in der Türkei noch billiger. Was noch? Fragten Sibylle und Pascale, weil sie dachten, sie sind Realisten. Wir standen am Straßenrand neben dem Bus. Ein Abend im Sommer vor einem Jahr. Alles, sagte ich, in Gedanken schon unterwegs. Teppiche, Türgriffe, türkische Schraubenzieher. Morgen mache ich eine Liste. Man kauft Ingwer un