: Robert Schlepütz
: Lesen gefährdet die Dummheit Gedanken zur Toleranz
: S. Fischer Verlag GmbH
: 9783104911625
: Lesen gefährdet die Dummheit
: 1
: CHF 10.00
:
: Gesellschaft
: German
: 256
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Der Sammelband »Lesen gefährdet die Dummheit. Gedanken zur Demokratie« enthält die wichtigsten grundlegenden Texte zur Demokratie. Mit klassischen Texten von Platon, Aristoteles, Cicero, Augustinus von Hippo, Thomas von Aquin, Marsilius von Padua, Machiavelli, Montesquieu, Rousseau, John Locke, Immanuel Kant, Alexis de Tocqueville, John Stuart Mill, Jean Louis de Lolme, Walt Whitman und vielen mehr. Anregende Lektüre und perfektes Geschenk für alle klugen Köpfe.

Tolérance
Toleranz


(Enzyklopädische Ordnung: Theologie, Moral, Politik)

DieToleranz ist im allgemeinen die Tugend jedes schwachen Wesens, das dazu bestimmt ist, mit Wesen zusammen zu leben, die ihm gleichen. Dem Menschen, der durch seine Intelligenz so erhaben ist, sind zugleich durch seine Irrtümer und seine Leidenschaften so enge Grenzen gesetzt, daß man ihm den anderen gegenüber nicht genug von jenerToleranz und jener Hilfe einflößen kann, deren er selbst so sehr bedarf und ohne die man auf der Erde nur Unruhen und Streitigkeiten sehen würde. In der Tat hat man diese sanfteren versöhnlichen Tugenden aber geächtet, gereichten zahlreiche Jahrhunderte den Menschen mehr oder weniger zur Schande und zum Unglück; und hoffen wir nicht, daß wir ohne sie unter uns Ruhe und Wohlstand jemals wiederherstellen können!

Man kann zweifellos mehrere Quellen unserer Zwietracht feststellen. Wir sind in dieser Hinsicht leider nur zu fruchtbar. Da sich aber vor allem in Fragen der Gesinnung und der Religion die verheerenden Vorurteile besonders zwingend und scheinbar mit mehr Recht durchsetzen, ist dieser Artikel auch dazu bestimmt, sie zu bekämpfen. Wir begründen zunächst auf den evidentesten Prinzipien die Richtigkeit und Notwendigkeit der Toleranz und entwerfen dann auf Grund dieser Prinzipien die Pflichten der Fürsten und Herrscher. Wie traurig ist freilich die Aufgabe, den Menschen Wahrheiten beweisen zu müssen, die so klar und bedeutsam sind, daß man seine Natur abgelegt haben muß, um sie nicht zu erkennen! Wenn es aber sogar in unserem Jahrhundert noch Menschen gibt, die ihre Augen der Evidenz und ihr Herz der Menschlichkeit verschließen, wie könnten wir dann in unserem Werk darüber feiges und sträfliches Stillschweigen bewahren? Nein. Wie immer es auch um den Erfolg bestellt sein mag, wagen wir zumindest, die Rechte der Menschlichkeit und Gerechtigkeit zu fordern, und versuchen wir noch einmal, dem Fanatiker seinen Dolch zu entreißen und dem Abergläubischen seine Augenbinde abzunehmen. […]

Ziehen wir also den folgenden Schluß: Wenn überall Intoleranz herrschte, so würde sie alle Menschen gegeneinander bewaffnen und auf Grund der verschiedenen Anschauungen immer wieder Kriege heraufbeschwören; denn selbst wenn man annähme, daß die Ungläubigen nicht Verfolger aus religiösen Prinzipien wären, so wären sie es doch zumindest aus politischen und eigennützigen Gründen. Da die Christen diejenigen, die ihre Vorstellungen nicht annehmen, nicht dulden können, so würde man sehen, wie sich mit Recht alle Völker gegen sie verbündeten und den Untergang dieser Feinde des Menschengeschlechts beschlössen, die unter dem Schleier der Religion nichts Unrechtmäßiges dar