: Christopher Isherwood
: Die Welt am Abend Roman
: Hoffmann und Campe Verlag
: 9783455006094
: 1
: CHF 9.30
:
: Gegenwartsliteratur (ab 1945)
: German
: 384
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Ein rauschendes Fest im Hollywood der vierziger Jahre: Inmitten von Glanz und Glamour bestätigt sich Stephen Monks Verdacht, dass seine Frau Jane ihn betrügt - er erwischt sie in flagranti. Kurzerhand verlässt er Jane und sein altes Leben und zieht zu seiner Tante nach Pennsylvania. Hier auf dem Land kommt er zur Ruhe und kann seinen Gedanken nachhängen, vor allem an seine Ehe mit Elizabeth, seiner großen Liebe. Zusammen reisten sie quer durch die Welt, bis Elizabeth unerwartet starb. Stephen fasst den Plan, ihre Briefe als ihr Vermächtnis herauszugeben. Doch die Briefe enthüllen unliebsame Wahrheiten über ihre Beziehung und über ihn selbst, den Getriebenen. Erstmals liegt Christopher Isherwoods Werk von 1954, das auch heute noch durch sein offenes Bekenntnis zur Homo- und Bisexualität viel Beachtung findet, in deutscher Übersetzung vor: ein eleganter, schillernder Roman über den Einzelnen in einer Welt mit sich wandelndem Wertekompass, über Schein und Sein, Rausch und Lust, Liebe und Freiheit und nebenbei ein atmosphärisches Panorama Europas und der USA von den Wilden Zwanzigern bis zum Zweiten Weltkrieg.

Christopher Isherwood wurde 1904 in der Grafschaft Cheshire als Sohn eines englischen Offiziers geboren. Nach erfolglosen Studien der Geschichte und der Medizin in Cambridge und London ging er 1929 nach Berlin. Von 1942 bis zu seinem Tod im Jahr 1986 lebte er im kalifornischen Santa Monica. Mit Werken wie Leb wohl, Berlin, A Single Man, Mr Norris steigt um und Praterveilchen zählt Christopher Isherwood zu den berühmtesten Schriftstellern seiner Generation.

Erster Teil


Ein Ende

Eins


Die Party fand an diesem Abend bei den Novotnys statt. Sie wohnten hoch oben an den Hängen der Hügel von Hollywood in einem Haus im Ranchstil, inklusive frühamerikanischem Ahorn, nautischem Messing und Musselinvorhängen; einfach zu niedlich für Worte. Es sah so aus, als wäre es mitsamt der Einrichtung von einem Geschäft angeliefert worden; und man konnte sich vorstellen, dass, falls keine Zahlungen erfolgten, eines Tages ein paar Männer kommen und das ganze Haus auf einem Lastwagen dorthin zurückverfrachten würden, zusammen mit Mrs Novotny, den drei Kindern, den beiden Autos und dem Cockerspaniel. Die meisten Häuser, in denen Jane und ich zu Besuch waren, sahen so aus.

Es war schon ziemlich spät, und mehrere Leute waren betrunken; zwar benahmen sie sich nicht daneben, waren aber prahlerisch, laut und sprachen mit schwerer Zunge. Ich befand mich irgendwo in einem Zustand dazwischen; für mich der beste. Solange ich nüchtern war, schmollte ich. Wenn ich weitertrank, neigte ich dazu, unangenehm zu werden und etwas Peinliches zu sagen oder aber einzuschlafen und zu schnarchen. Jane machte sich darüber immer Sorgen, und doch konnte sie sich nie vor Ende des Abends losreißen. »Warum zum Teufel gehst du nicht nach Hause, wenn du dich so langweilst«, flüsterte sie mir manchmal wütend zu, »statt wie ein gottverdammter Märtyrer herumzuhängen? Was ist los mit dir? Hast du Angst, ich könnte etwas tun, was du nicht tun würdest?« Dann grinste ich sie nur an, ohne zu antworten. Genau so sollte sie sich fühlen: meiner unsicher, unbehaglich und schuldbewusst-aggressiv. Es war die einzige mir bekannte Möglichkeit, ihr Kontra zu geben.

Inzwischen war ich im nicht ganz so überfüllten Teil des Wohnzimmers allein. Ein Spiegel an der gegenüberliegenden Wand zeigte mir, wie ich der Außenwelt erscheinen musste: als ein großer, blonder, ziemlich junger, ziemlich alter Mann mit einem mäßig gutaussehenden, ängstlichen Gesicht und dunklen, allzu ausdrucksvollen Augen, der zwischen einem Schustertisch und einem nachgebauten Spinnrad in einer Ecke stand und ein Highballglas in der Hand hielt. An der Wand neben meiner Wange hing ein Modellschiff aus Messing, aus dem ein Farn wuchs. Ich sah aus, als wollte ich mit der Szenerie verschmelzen und unsichtbar werden, wie eine Giraffe, die reglos zwischen sonnengefleckten Blättern steht.

Ich trug meine übliche verrückte Aufmachung, Symbol meines Protests gegen das Leben, das ich führte: ein weißes Smokingjackett mit einer purpurroten Fliege und einer Nelke, die zu meinem Kummerbund aus Moiré passten. Hätte Elizabeth mich so sehen können, sie hätte gesagt: »Liebling, wofür in aller Welt willst du eigentlich gehalten werden? Nein – sag es mir nicht. Lass mich raten –« In gewisser Weise glaube ich, dass ich mich genau deshalb so kleidete, weil es Elizabeth amüsiert hätte. Gewiss verstand niemand hier den Scherz, nicht einmal Jane; meine Maskerade als Figur aus einem Hollywood-Musical blieb völlig unbemerkt. Und warum auch sollte irgendeiner dieser Menschen sie bemerken? Sie kannten mich ja nur so – wie ich Abend für Abend an Janes Seite in den Türen ihrer Häuser erschien. (Abends blieben wir nie mehr allein zu Hause; das war ganz undenkbar.)

Hätte jemand sich danach erkundigt, wer ich sei, hätte fast jeder von ihnen geantwortet: »Jane Monks Ehemann«, und es dabei belassen. Es war von Anfang an so gewesen, gleich nachdem wir im