: Erich Wimmer
: Original Linzer Tortur
: Edition A
: 9783903200104
: 1
: CHF 9.90
:
: Krimis, Thriller, Spionage
: German
: 320
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Eine Verfolgungsjagd durch Linz, eine Schießerei in der Innenstadt und eine verschwundene alte Frau: Ein Dokument aus einer Zeit, die Linz gerne vergessen würde, stürzt die Stadt ins Chaos. Es ist eine Liste von Wohnungen, die das Hitlerregime den Juden wegnahm und linientreuen Nazis überließ. Deren Nachfahren haben es sich darin bequem gemacht. Detektiv Pius Korab erhält den Auftrag, die Liste zu beschaffen und für späte Gerechtigkeit zu sorgen. Doch einige Neonazis haben etwas dagegen und sie schrecken vor nichts zurück. Nicht nur Korab, sondern auch seine Freunde schweben bald in Lebensgefahr.

Erich Wimmer studierte Kunstwissenschaften und Philosophie und lehrt Violine an den Oberösterreichischen Landesmusikschulen. Seit 1995 ist der gebürtige Linzer freiberuflich als Schriftsteller tätig. Er fischt, seit er alleine in Gummistiefeln stehen kann, liest, seit ihn seine Eltern in der hauseigenen Bibliothek ausgesetzt haben und schreibt auf der Suche nach Ironie und Freiheit für sich und sein Publikum.

1


Ein mongolisches Zelt am Eingang zum Fegefeuer, bewohnt von drei diabolischen Hexenmeistern, die unlösbare Knoten in seinen mausgrauen Schicksalsfaden knüpften …

Mit diesem Bild nahm Pius Korab seine allernächste Zukunft vorweg. Und das Schlimmste dabei war, dass er keine Wahl hatte. Er würde diesen Ort in Kürze erreichen und dann eintreten müssen in diesen mirakelschwangeren Kultraum. Kein Wunder, dass sein innerer Angsthase panisch an einem Fluchtplan feilte, während er seinem Freund Isonzo und dessen Hund Mooser scheinbar unbekümmert folgte. Die beiden marschierten zielsicher durch die Traunau, obwohl die Pfade kaum zu erkennen waren. Der beginnende Frühling hatte seine Bärlauchteppiche bis in die letzten Auecken gebreitet. Frischer Knoblauchduft hing wie eine unsichtbare Wolke zwischen den Pappeln.

»Keine Angst, Pius«, sagte Isonzo, »du belangst den Falschen mit irgendwelchen Sorgen. Spätestens morgen sind deine Skrupel Sterngeschnupel. Du hörst dir einfach sein Angebot an. Und wenn es dir zu steil wird oder zu geil klirrt oder zu wenig wohlfeil schwirrt – dann sagst du ganz einfach Nein.«

»Nichts ist komplizierter als ein einfaches Nein«, entgegnete Korab hilflos, »warum sagst du mir nicht ganz einfach Näheres über dieses … Angebot?«

Isonzo breitete pathetisch die Arme aus, als wäre er der Heilige Franz von Assisi, der einem verwirrten Nagetier die drei Hauptaspekte der Frettchenfrage erklärt.

»Weil es dir der Krake höchstpersönlich unterbreiten möchte. Vom Grund seiner Seele, durch Schlund und Mundhöhle will er dich alleine sprechen, ohne frechen Störfunk von irgendeinem Skunk.«

Nach dieser Antwort verstummte Korab, als hätte man ihm den Mund mit Schaumrollenschaum ausgespachtelt. In seiner magischen Innenwelt war mit dem Aussprechen bestimmter Worte und Namen Unheil verknüpft. Und der Krake war ohne Zweifel der Inbegriff eines solchen Namens. Dahinter stand eine Persönlichkeit, die laut Isonzos Definition zur Speerspitze der global agierenden AntiKa-Bewegung gehörte. Dieser lose über sämtliche Kontinente verstreute Bund diverser Kapitalismuskritiker war effizient vernetzt und hatte es sich zum Ziel gesetzt, den geldgeilen Moloch mit seinen eigenen Mitteln zu bekämpfen. Man wollte nicht die alten Fehler wiederholen und alles mit allen teilen, wie das Kommunisten, Hippies und sonstige rührige Spinner versucht hatten. Die humane Gleichheit war eine Illusion, die nur für Paragraphen in schwülstigen Verfassungen reichte, aber in der Praxis immer an den unterschiedlichen Charakteren und Mentalitäten der Menschen scheitern musste. Die AntiKa wollte dieser Diversität Rechnung tragen und gleichzeitig auf eine solidarische Weise jene ökonomischen Grenzen definieren und als verbindlich einfordern, an denen das Kapital kontraproduktiv wurde. Geld sollte weiterhin benutzt werden, aber wieder als Mittel zum Zweck und nicht als Zweck an sich, der sich immer wieder zu einer unkontrollierbaren Instanz auswuchs, die den überwiegenden Teil der Menschheit versklavte. Diesem Programm hatten sich der Krake und seine Mitstreiter mit einer Vehemenz verschrieben,