Mitte Juni, 2015
Lordtom99\1\Wien:Sommer.docx
»Bin gelandet. Alles gut. Melde mich später.«
Manuel drückte auf »Senden« und holte sein Notebook aus dem Gepäckfach. Er schlüpfte in sein Jackett und wartete, bis die Flugbegleiter die Ausstiegsluken öffneten. Während der Fahrt mit dem Flughafenbus nahm er ein Aspirin gegen seine Kopfschmerzen und ließ seinen Blick über den Hangar schweifen. Zwei Arbeiter standen rauchend vor einem Hallentor. Die Leuchten am Tower warfen grelle Lichtkegel über die Landebahn.
Manuels Koffer gehörte zu den ersten, die in der Gepäckausgabe auftauchten. Er packte das dreckige Ding und hievte es auf seine Schultern. Am Weg durch die Empfangshalle trottete er an einem Sicherheitsbeamten vorbei, der ihn gleichgültig musterte. Draußen winkte er einem Taxi. Er rutschte auf den Beifahrersitz. »Favoritenstraße bitte«, sagte er.
Nebel hing über den Parkhäusern, ein leichter Sprühregen fiel. Erste Lichtreflexe spiegelten sich am Horizont, als das Taxi auf die Stadtautobahn bog. Während der Fahrer das Navigationsgerät bediente, sah Manuel nach, ob Hanna auf seineSMS reagiert hatte. Fehlanzeige. Er löschte die Spammails, die während der Nacht eingegangen waren, und wählte ihre Nummer. Das letzte Mal hatte er es vor dem Abflug versucht, das war vor sieben Stunden gewesen. Auch jetzt schaltete sich die Mobilbox ein.
Gegen sechs Uhr hielt der Taxifahrer in der Favoritenstraße vor dem Haus mit der Nummer 48. Manuel blickte die Fassade hoch. Alle Fenster waren dunkel. Er gab dem Fahrer zwei Euro Trinkgeld und fuhr in den dritten Stock. Die Luft im Vorzimmer war kalt und abgestanden. Als er das Licht aufdrehte, fiel sein erster Blick auf den großen Efeu neben dem Garderobenspiegel. Die Erde war feucht, und im Untersetzer stand Wasser. Gutes Zeichen, dachte er.
»Hanna?« Manuel schlüpfte aus seinen Converse und strich seine buschigen schwarzen Locken hinter die Ohren. »Ich bin wieder da.«
Niemand antwortete.
Manuel hängte sein Jackett auf den Kleiderständer und ging ins Wohnzimmer. Auf dem Glastisch vor der Couch lag ein Stoß zerfledderter Wochenmagazine. Die Regale links und rechts an der Wand waren voller CDs und medizinischer Lehrbücher. Manuels Bücher. Unfallchirurgie. Alte Kladden, die er seit Jahren nicht mehr aufgeschlagen hatte.
Manuel kippte die Balkontür und ging ins Schlafzimmer. Die Lampe im Kabinett war zu schwach, um den Raum vollständig auszuleuchten. Er sah nur Konturen. Den Schrank. Die Kommode. Den Spiegel an der Wand. Hinten links unter dem Fenster stand das knorrige Bauernbett, das er bei einem Restaurator am Karmelitermarkt im zweiten Bezirk gekauft hatte. Schon jetzt war ihm klar, es würde leer sein. Er schaltete das Licht ein und sah eine nackte Matratze ohne Decke und Kissen.
Manuel spürte, wie sich ein beklemmendes Gefühl in seiner Magengegend ausbreitete. Er sah im Bad, in der Toilette und im Kleiderschrank nach. Er durchforstete das Bücherregal im Wohnzimmer und die Laden in der Küche. Keine Auffälligkeiten.
In Hannas Arbeitszimmer änderte sich die Szenerie. Akten waren am Boden verstreut, die