: Therese Kersten
: Lockvogel Mein Leben als Treuetesterin
: Edition A
: 9783990012826
: 1
: CHF 13.50
:
: Biographien, Autobiographien
: German
: 288
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Manche Frauen wollen, dass Therese ihre Männer in einer Bar anspricht. Andere buchen lieber einen SMS-Test, um zu sehen, wie ihr Auserwählter auf Verfu?hrungen reagiert. Mit ihrer Agentur 'Die Treuetester' lässt sie sich seit sieben Jahren von eifersu?chtigen Frauen und Männern engagieren. Fu?r sie ist das ein ganz normaler Job. Doch wenn sie davon erzählt, löst sie regelmäßig entsetztes Staunen und ungläubiges Gelächter aus.

Therese Kersten, geboren 1990 in Schönebeck (Elbe), gründete 2010 in Wien ihre Agentur 'Die Treuetester'. Daneben arbeitet sie für Detekteien im Bereich Informationsbeschaffung.

DOPPELT GEMOPPELT


Wer sich selbst treu bleiben will, kann nicht immer anderen treu bleiben.

Seltsam, dass dieser Satz Julia immer dann einholte, wenn er ihr so gar nicht gelegen kam. Nicht, weil er sie prinzipiell zu erschüttern verstünde. Nicht, weil er sie auf eigene Umtriebe zurückwürfe. Hier. Heute Abend.

Andererseits wieder doch. Gerade hier. Gerade heute Abend.

Wie auch immer. Jedenfalls schaffte dieser Satz eines: Er führte ihr vor Augen, wie endlos nah Süße und Bitterkeit beisammen lagen, diese vorherrschenden Geschmacksrichtungen auf der Zunge, die sich Leben nannte. War es nun die eigene oder die anderer Leute.

Wer sich selbst treu bleiben will, kann nicht immer anderen treu bleiben.

Längst hatte Julia vergessen, wo sie den Satz gelesen hatte, und auch, wem er zugeschrieben wurde (war es einer der großen deutschen Dichter? Goethe? Schiller? So lange lag die Schulzeit ja noch nicht zurück. Die paar Jahre. Nein. Keiner von denen. Und das andere Extrem? Aber nein. Die schon gar nicht. Nicht selbst ernannte Netzgurus. Wie lachhaft! Schließlich war das ein Sager mit Gehalt.)

War’s der Christian Morgenstern?

Scheißegal. Entscheidend war, jetzt und hier, dass die Menschenmenge, die sie keine hundert Meter voraus im Laternenschein ausmachte, sich in Luft auflöste. Am besten sofort. Ehe sie selbst dort ankamen. Schließlich waren sie nicht zum Vergnügen hier. Julia und Sarah. Zwei Ladies auf … Mission … andererseits … mmhhmm …

Und dann kannte Julia zum Thema noch diesen hier:

Treu bis in den Tod sind nur die Dummköpfe. Die Treue hat ihre Grenze im Verstand.

Der, wusste sie, war wie der Griff ins Klo. Oder auf die zweischneidige Klinge eines Schwertes. Frisch geschliffen, versteht sich. Da wie dort mit bloßen Händen, versteht sich. Das konnte nicht gutgehen. Auch wenn sie sich oft genug genau darin wiederfand.

Ja. Exakt so würde es auch heute Abend laufen. Ob es ihr nun gefiel oder nicht. Sie hatte es im Blut. Weil sie ihre Pappenheimer längst kannte. Weil es einer dieser Abende war, die sie ebenfalls nur zu gut kannte. Einer dieser Abende, dem das Übel vorauslag, obwohl er aufs rechte Gegenteil getrimmt war. Einer dieser vordergründig herrlichen, zauberhaft lauen Abende, die einem schon mal das Herz übergehen, die einen tief nach Atem schöpfen lassen konnten im trügerischen Glauben, nichts wäre mächtig genug, die Stimmung zu trüben.

Oh ja. Sie konnte es verdammt nochmal riechen. Gerade so verhielt es sich jetzt und hier. Alles ringsum wie in Watte gepackt, und die schwüle Lust nach Aufbruch greifbar. Von schräg gegenüber funkelten die Nachtlichter der beiden Museumsriesen herüber. Die Schlussakkorde von Wagn