AUFGABEN, ALTERSBILDER, ALTERNATIVEN
Aufgaben anstatt aufgeben
Das Absurde an der Situation des sogenannten Ruhestandes: Jetzt, wo wir selbst entscheiden können, wann wir etwas tun wollen, haben wir nichts zu tun, außer wir schaffen uns selbst eine Aufgabe, eine Tätigkeit.
Maria, 62, hat sich angewöhnt, ihrer chronisch kranken Nachbarin jeden Morgen gegen 9 Uhr Zeitung und Frühstücksgebäck zu bringen und am Abend vorbeizuschauen, ob alles in Ordnung ist. „Ich mache das gerne, denn ich hab dann das Gefühl, dass ich noch gebraucht werde.“
Manfred, 82, Witwer, geht zweimal am Tag zügig spazieren, aber er findet keine Begleitung. Also nimmt Manfred morgens und nachmittags den Hund Nikki auf seine Spaziergänge mit. Das freut den Hund wie auch die jüngeren Nachbarn, die untertags arbeiten.
Sylvia, 65, hat sich entschlossen, das Leben ihres Sohnes und ihrer Schwiegertochter zu erleichtern. Beide haben einen fordernden Fulltime-Job, daher ist für Sylvia Montag, Mittwoch, Freitag Betreuung der Enkelkinder angesagt.
Martina, erst seit einem Jahr in Pension, ist nach ihrer Erholungsphase klar geworden: „Wenn ich diese Zeit nicht nutze, um zu tun, was ich will, bin ich dumm, denn diesen Freiraum zu haben, ist ein Privileg.“ Martina wird entsprechende Kurse belegen und danach Third-Age-Seminare als Vorbereitung auf den Ruhestand anbieten, damit wir Oldies nicht wie ein vom Sturm gebeutelter Schoner in den Hafen Pension geschleudert werden.
Wie wir mit dem Privileg umgehen, in Eigenverantwortung eine Aufgabe zu finden, hängt vom persönlichen Lebensentwurf ab, sowie von den Erwartungen, die wir an den Prozess des Älterwerdens und an das Leben an sich stellen. Wir Älteren sind so heterogen wie die Jungen. Ich kenne eine 73-Jährige, die mit Stativ und Fernrohr Kraniche, Eisvögel, Zaunkönige, Mauersegler, Graureiher beobachtet. Ich weiß von einer 71-Jährigen, die archäologische Fundstücke archiviert, einem 73-Jährigen, der bei der Vorbereitung von Ausstellungen in Museen hilft, und einer 60-Jährigen, die Patienten im Spital betreut. Für einen spirituellen Weg entschied sich Herta, 70, ehemalige Vorstandsassistentin an der Börse. Sie wollte sich selbst besser kennenlernen, besucht nun Yoga- und Meditationskurse und studiert vergleichende Religionswissenschaften.
Tom Lackey wiederum begann mit den Stuntvorführungen auf der Tragfläche eines Flugzeuges im Alter von 80, nach dem Tod seiner Frau. Inzwischen gilt er als ältester Wingwalker der Welt, sitzt im Rollstuhl und schaffte 2014 an seinem 94. Geburtstag die 40 Kilometer-Route von Land’s End bei Cornwall nach der Scilly-Insel. Er betreibt sein Hobby nicht nur zum eigenen Vergnügen, sondern um damit Gelder für Sozial- und Gesundheitsprojekte zu sammeln.
Sich selbst eine Aufgabe zu geben, bedeutet die leidenschaftliche Beschäftigung mit einer Sache, die wir immer schon geliebt haben oder vielleicht erst jetzt lieben lernen. Der spri