: Martina Leibovici-Mühlberger
: Der Tyrannenkinder-Erziehungsplan Warum wir fu?r die Erziehung ein neues Menschenbild brauchen und warum die Tyrannenkinder zu den Besten gehören können
: Edition A
: 9783990012710
: 1
: CHF 18.00
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: Familie
: German
: 336
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Was tun mit den Tyrannenkindern? Wie umgehen mit dem Nachwuchs, der uns essgestört, chillbewusst, leistungsverweigernd und verhaltensoriginell in die Resignation treibt? Die Jugendpsychologin Martina Leibovici-Mühlberger glaubt, dass diese Kinder beim Bewältigen zukünftiger Herausforderungen zu den Besten gehören können. Ihre richtige Erziehung setzt allerdings ein neues Menschenbild voraus.

Prof. Dr. Martina Leibovici-Mühlberger, Mutter von vier Kindern, ist Ärztin und Jugendpsychologin und trägt als Psychotherapeutin das European Certificate of Psychotherapy. Sie leitet die ARGE Erziehungsberatung und Fortbildung GmbH sowie die ARGE Bildung&Management. Sie schrieb mehrere Bücher und wissenschaftliche Arbeiten.

Unsere Kinder brauchen uns!


Kein Säugetier kommt derartig hilflos zur Welt wie ein Menschenjunges. Man könnte glatt zu dem Schluss kommen, dass es sich hier um eine bedauerliche Fehlkonstruktion, eine grausame Spielart der Natur handeln muss, wenn man sich den Status von maximaler Unfertigkeit, in dem der Mensch in die Welt geworfen wird, vor Augen führt. Affenbabys vermögen sich unmittelbar, wenn das Fruchtwasser aufgetrocknet ist, selber im Fell ihrer Mütter zu verkrallen, sodass diese ihrem üblichen Tagesgeschäft von Futterbeschaffung und Überleben möglichst unbeeinträchtigt nachgehen können. Auch junge Hunde oder Katzen sind schnell aus dem Gröbsten heraus. Fluchttiere, zum Beispiel Zebras, leben uns ihre Fitness für den Lebenseinsatz noch beeindruckender vor, wenn sie bereits wenige Stunden nach der Geburt mit der Herde weiterziehen. Undenkbar etwa eine Szene, in der eine Stute beim Leithengst vorspricht, um für ein paar Wochen »Grasen vor Ort« zur Anpassung an das neue Leben für sich und ihr Fohlen zu fordern. »Kleine, lass es liegen, lohnt nicht den Aufwand, ich mach dir ein Neues«, wäre hier sicher die Antwort zwischen zwei gerupften Grasbüscheln und einem genervten Schnauben. Wir, der Homo sapiens, hingegen betreiben unwahrscheinlichen Aufwand bei der Aufzucht dieser physiologischen Frühgeburt. Zuerst einmal dauert das Ganze sehr sehr lange. Wären wir noch Nomaden, müssten wir die Jungen erfahrungsgemäß vier bis fünf Jahre mit uns herumschleppen, ehe sie mit der Gruppe halbwegs zuverlässig Schritt halten können. Zumal damals mit ziemlicher Sicherheit kein wirklich kinderwagengängiges Gelände vorhanden war. Damit aber nicht genug. Durchschnittlich dauert es – zumindest in unseren Breiten – achtzehn bis zwanzig Jahre, manchmal auch länger, bis so ein Kind autonomie- und tatsächlich selbsterhaltungsfähig wird. Mögen es in früheren Zeiten durch die hauptsächlich rurale Lebensweise und kürzere Ausbildungszeit ein paar Jahre weniger gewesen sein, jedenfalls bleibt immer noch eine unwahrscheinlich lange Zeitstrecke elterlicher Zuwendung, parentaler Investition, wie das so schön heißt. Das ist verdammt aufwendig und riecht schon grundsätzlich nach einer wirklich großen Aufgabe. Damit hier auch jeder bei der Stange gehalten wird, hat sich die Evolution einen ganz besonderen Kitt einfallen lassen: die Liebe! Zuerst einmal jene zwischen Eltern und ihren Kindern und dann auch noch jene zwischen Mann und Frau. Damit geht die Möglichkeit zur langfristigen Paarbildung einher. Die ganze Aufzucht so eines unfertigen Jungen unserer Spezies verbraucht derart viel Ressourcen und erfordert Garantie in der Stabilität, sodass geteilte Verantwortung ein deutlich größeres Erfolgsversprechen bedeutet. Selbst der eingefleischte Misanthrop kann sich diesem Mechanismus nicht entziehen, denn dasICH vermag sich erst durch das DU zu erschließen. So sind wir aufgesetzt, ja konstruiert bis in jede Zelle, bis in jedes Molekül und Atom hinein. Was uns zusammenhält, sind die Bindungskräfte. Wenn wir es von aller kultureller oder religiöser Überformung und damit von den Interessen eines jeweiligen Establishments entkleiden, so bleibt übrig, dass es biologisch vorgesehen ist, dass wir aus der liebevollen, lustvollen Umarmung zwischen einem Mann und einer Frau entstehen, in ihr unsere Begründung und unseren Ursprung