: Christian Ortner
: Hört auf zu heulen Warum wir wieder härter werden müssen, um unseren Wohlstand und unsere Lebensart zu schützen
: Edition A
: 9783990010822
: 1
: CHF 12.60
:
: Politik, Gesellschaft, Wirtschaft
: German
: 144
: kein Kopierschutz
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Sie meinen es ja wirklich gut und machen damit trotzdem alles noch schlimmer. Wenn Politiker einen Mindestlohn einführen, haben die Verpackerinnen hinter der Supermarktkasse keinen Job mehr, wenn NGOs eine Schiffsladung alter Kleider nach Nicaragua schicken, bricht die dortige Textilwirtschaft zusammen und wenn Lehrer den Leistungsdruck von den Kindern nehmen, unterliegen diese später im Konkurrenzkampf am Arbeitsmarkt. Christian Ortner porträtiert in seiner neuen Streitschrift mit gekonnter Polemik eine verweichlichte Gesellschaft und zeigt die verheerenden Resultate ihres sozialen Wunschdenkens. Gut geht nicht, so sein Resümee. Wenn Europa nicht alte Werte wie Leistung und Disziplin wiederbelebt, fährt es gegen die Wand.

Christian Ortner ist Autor und Kolumnist bei den Tageszeitungen Die Presse und Wiener Zeitung. Davor war er Wirtschaftsredakteur beim Nachrichtenmagazin profil, Chefredakteur der Wochenpresse, Herausgeber und Chefredakteur der Wirtschaftswoche Österreich und Herausgeber sowie Chefredakteur der Zeitschrift Format. In seinen Artikeln, Kommentaren und Kolumnen vertritt er wirtschaftsliberale Positionen. 1992 wurde er mit dem Dr.-Karl-Renner-Publizistikpr is ausgezeichnet. Als Buchautor verfasste er unter anderem den Bestseller Prolokratie - Demokratisch in die Pleite.

Er sei, tobte im Frühling 2013 ein junger, gar nicht unbegabter österreichischer Journalist auf seinem Blog, in seinem ganzen Leben »noch nie so respektlos und miserabel behandelt worden … Ich bin wütend. Ich bin enttäuscht. Es tut verdammt weh …«

Ursache der argen Seelenpein des Mannes war ein in der Tat etwas herzlos geratenes Schreiben des österreichischen Staatsfernsehens ORF gewesen, in dem ihm beschieden wurde: »Wir bedauern sehr, Ihnen mitteilen zu müssen, dass das Traineeship, für welches Sie sich beworben haben, leider nicht stattfinden wird.

Für Ihr Engagement sowie für Ihre Geduld beim Warten auf die Entscheidung danken wir Ihnen sehr herzlich. Falls wir 2014 ein solches Traineeship anbieten, finden Sie die Informationen dazu im Dezember auf jobs.orf.at. Wir wünschen Ihnen für Ihren weiteren Weg alles Gute!«

Grund der Absage war nicht etwa die mangelnde Qualifikation des jungen Mannes gewesen – die hatte er einem aufwändigen Auswahlverfahren bereits unter Beweis gestellt – sondern eine Entscheidung des Senders, doch keine derartigen Praktikanten einzustellen. Blöd gelaufen, sozusagen.

Verständlich ist da ja bis zu einem gewissen Grad, dass der verhinderte Trainee sich nicht eben gut behandelt fühlte und darob eher schlechte Laune aufriss.

Was aber bringt jemanden dazu, so mimosenhaft, heulsusig und vor allem völlig ohne jedes Gefühl für angemessene Proportionen derart emotional zu hyperventilieren – und das noch dazu in aller Öffentlichkeit?Es tut verdammt weh?

Selbst Armin Wolf, Anchorman des ORF und wohl bekanntester Fernsehjournalist des Landes, konnte es sich nicht verkneifen, dem Sensibelchen auf Facebook einen kleinen Reality-Check zu spendieren: »Ich habe mal – mit einigen sehr engagierten, tollen Kollegen – ein Jahr lang an einem Web-Projekt gearbeitet, das dann nicht zustande kam, weil das Budget letztlich doch nicht vorhanden war«, schrieb Wolf. »Nicht ideal, echt nicht lustig, viel verlorene Arbeits- und Lebenszeit, aber das passiert in Unternehmen. Man ärgert sich trotzdem – und das zu Recht.

Aber: ›Ich wurde in meinem Leben noch nie so respektlos und miserabel behandelt‹?

Echt jetzt? Ist das Ihr Ernst?

Eine vergebliche Bewerbung, ein ebenso vergebliches Assessment, eine durchaus höfliche Absage – das ist die miserabelste Behandlung eines ganzen Lebens?

Ich muss jetzt mal etwas leicht Polemisches sagen: Herr Kollege, ich fürchte, Sie müssen sich für Ihr Berufsleben eventuell noch auf ein paar Enttäuschungen einstellen, die deutlich größer ausfallen können.«

Das stimmt natürlich. Doch das gilt freilich nicht nur für unseren armen verhinderten Trainee und auch nicht nur für das Erwerbsleben. Was auf den ersten Blick wie die leichte Übersensibilität eines vielleicht emotional noch nicht ganz austarierten jungen Mannes erscheinen mag, ist nämlich nicht eben unsymptomatisch für die Befindlichkeit erheblicher Teile der Bevölkerung und der politischen Eliten in den westlichen Sozialstaaten des frühen 21. Jahrhunderts. »Wütend«, »betroffen« und »enttäuscht« zu sein, auf was und von was auch immer im Einzelnen, ist zu einem Massenphänomen geworden, das sich längst dem Gesetz von Ursache und Wirkung entzogen hat und zu einer Art frei schwebenden Befindlichkeit geworden ist.

Ausgerechnet jener Teil der Welt, dessen Bewohner vor den Unannehmlichkeiten des Lebens vom fürsorglichen Nanny-Staat weit umfänglicher, aufwändiger und kostspieliger beschützt werd