BUS
Eintrag in mein Traumtagebuch, 18. Januar 2017.
Ich habe von etwas Blassem geträumt. Es war blass wie Gras unter einem Stein.
Die Tür. Es ist hier immer so. Kein Klopfen. Nichts. Sie fliegt einfach auf.
Frau Carranza!
Ich habe mich gerade im Spiegel über dem Waschbecken betrachtet. Zähne geputzt. Im Pyjama. Bin ich noch schön? Habe ich noch diese eisklaren Augen? Dieses Gesicht wie aus Porzellan? Diesen Arsch, an dem sie irgendetwas finden? Ich weiß nicht was?
Mitkommen!
Eigne ich mich noch für die Titelseiten der Zeitungen?
Drei Beamte drücken mich an die Wand, ohne mich zu berühren. Zwei Justizwachebeamte von hier und ein Sicherheitsbeamter, den ich noch nie gesehen habe. Mit ihren Stimmen füllen sie den Raum.
Sofort!
Sie können einfach kommen. Wie zu Tieren im Stall. Die Tür kannst du nicht absperren. Selber schuld, wenn du gerade nackt bist. Deshalb ziehe ich mich immer am Klo um.
Wir haben Befehl, Sie zu überstellen, sagt der Sicherheitsbeamte.
Ich schaue durch den Spiegel zum Tisch.
Nehmen Sie nur mit, was Sie heute brauchen, sagt er.
Am Tisch stapelt sich, was ich für die Reise vorbereitet habe. Obenauf ein T-Shirt vonDolce& Gabbana. Klara, die lange meine beste Freundin war, hat es mir geschenkt.
Viele meiner Sachen sind von ihr. Auch Schmuck. Sie hat immer gerne eingekauft. Einmal gab sie mir einen Schal und ein Sweatshirt vonGucci. Mit den Preisen noch dran. Du kannst es dir leisten, dachte ich. Aber Klara. Danke.
Meine Malsachen. Mein Traumtagebuch. Ein Notizbuch. In meinem Notizbuch führe ich Listen über alles Mögliche. Manchmal schreibe ich Gedichte hinein oder notiere einfach Sätze, die sich reimen.
Trotz meiner spanischen Muttersprache schreibe ich Deutsch. Mein Wortschatz reicht dafür. Meine Grammatik ebenfalls. Die Satzzeichen verwende ich nach Gefühl. Meistens passt das. Nur wenn ich nervös bin, komme ich dabei manchmal durcheinander.
Briefe von Werner. Die kommen auch mit. Ein bisschen viel Glitzer und Herzchen sind daran. Er mag das. Triffst du ihn auf der Straße, glaubst du das nicht. Ernster Blick. Kräftige Statur. Dunkle Haare. Merklich älter als ich.
Kommen Sie jetzt!
Der Sicherheitsbeamte ist groß. Breitschultrig. Die blaue Uniform steht ihm. Er könnte gelassener sein. Dann stünde sie ihm noch besser.
Ich dachte, wir fahren erst morgen?
Wir fahren jetzt.
Nehmen wir meine Sachen gleich mit. Dann braucht morgen niemand extra zu fahren.
Er wendet sich wortlos ab und tritt mit den anderen hinaus auf den Gang. Als würde die Leere hinter ihnen einen Sog erzeugen, folge ich ihnen. Mit meiner Zahnbürste und mit Unterwäsche für morgen.
Sie behandeln mich wie eine Terroristin. Anweisungen bellen. Als wäre alles andere gefährlich. Als könnte ich Freundlichkeit, würde einer von ihnen sie zeigen, benützen. Um in sie einzudringen und mit ihnen zu machen, was ich will.