Zum Aufwärmen
Sonst bringt unsere Schwiegertochter sonntags Kuchen mit. Das hat sich so eingebürgert, weil sie gut backen kann. Doch diesmal kam mein Sohn allein. »Deine Eltern müssen etwas mit dir besprechen«, hatten wir ihm gesagt.
Kuchen zum Kaffee gab es trotzdem. Wir haben immer welchen in der Küche stehen. Marillenkuchen oder Topfenstrudel. Diesmal war es Ribiselkuchen. Ribiseln hatten zwar gerade keine Saison, aber wir hatten welche aus dem Garten tiefgefroren.
Mein Sohn ist fast 50. Er arbeitet für eine Bank und ist mit seinem Leben zufrieden. Er hatte nicht nachgefragt, als wir ihn zu uns gebeten hatten, und er hatte sich deshalb bestimmt keine Gedanken gemacht. Dieses »Deine Eltern müssen etwas mit dir besprechen« hatte er schließlich nicht zum ersten Mal von uns gehört. Es ging bei solchen Gelegenheiten immer um Dinge, die innerhalb der Familie zur Klärung anstanden, Hilfe beim Haus und Ähnliches.
Wir waren ziemlich nervös. Er hatte ja noch keine Ahnung. Wir hatten kein Problem damit gehabt, es allen unseren Freunden zu sagen. Wirklich nicht. Unser Standpunkt war: Wenn jemand ein Problem damit hatte, dann war es seines, nicht unseres. Wir hatten auch kein Problem damit gehabt, ein Buch darüber zu schreiben und es damit jedem zu sagen, der etwas darüber lesen will, also zum Beispiel Ihnen. Aber dem eigenen Kind? Unserem Sohn?
Wir saßen zu dritt im Wohnzimmer unseres Hauses am Laaerberg am Stadtrand von Wien, und er lobte den Kuchen. »Deine Eltern haben ein Buch geschrieben«, sagten wir, und noch ehe er über das Thema zu raten anfangen konnte, noch ehe er überhaupt die Stirn runzeln konnte, fügten wir hinzu: »Es geht darin um Sex.«
Wir erzählten ihm, dass seine Mutter, während sein Vater schon schlief, eines Tages etwas im Fernsehen gesehen hatte, etwas über Swingerklubs, und dass wir am nächsten Tag darüber sprachen, was Swingerklubs eigentlich seien, was dort geschehe, und dass es schon interessant sei, was Menschen so taten. Wir erzählten ihm, dass wir uns bei dieser Gelegenheit gewisse Abnützungserscheinungen in unserem eigenen Liebesleben eingestanden hatten, vorsichtig natürlich, dass damit alles angefangen hatte, und dass wir jetzt Dinge taten, über die wir uns früher nie gewagt hätten, nicht allein und schon gar nicht zu zweit.
»Das ist ja toll«, sagte er. Er strahlte richtig.
»Wirklich?«, fragten wir.
»Wirklich«, sagte er. »Ich bin stolz auf euch. Bloß eins müsst ihr verstehen: Ich würde das Buch sicher lesen, wenn es ein anderes Ehepaar geschrieben hätte, weil es mich interessieren würde. Aber bei meinen Eltern ist das etwas anderes. Das geht nicht.«
Wir lachten alle. Wir hatten uns die Sorgen, wie wir ihm das mit dem Sex und dem Buch beibringen könnten, umsonst gemacht.
Als wir di