Prolog
11:07 CET
31. Dezember 1903
Genua, Italien
Für die Passagiere der Kutsche, die aus dem verschneiten Genua kam und in halsbrecherischem Tempo die Steigung hochfuhr, war es eine strapaziöse Fahrt. Das Gefährt schwankte um eine scharfe Biegung der schmalen Straße.
Alexander Graham Bell, der auf dem Rücksitz saß, stöhnte. Nach einem Fieber, das er sich während der Transatlantiküberfahrt in Begleitung seiner Frau zugezogen hatte, war er noch immer nicht ganz genesen. Zu allem Unglück war nach seiner zwei Wochen zurückliegenden Ankunft in Italien eine Menge schiefgegangen. Die italienischen Behörden hatten sein Vorhaben behindert, die sterblichen Überreste James Smithsons zu bergen, des Gründers der Smithsonian Institution. Um den Grabraub durchführen zu können, war er gezwungen gewesen, sich als Spion und Botschafter zu betätigen, zu bestechen und zu täuschen. Dies war ein Spiel für einen weit Jüngeren, aber nicht für einen Mann Mitte fünfzig. Die nervliche Anspannung hatte ihren Tribut gefordert.
Seine Frau umklammerte seinen Arm. »Alec, vielleicht sollten wir den Kutscher bitten, langsamer zu fahren.«
Er tätschelte ihr die Hand. »Nein, Mabel, das Wetter bessert sich gerade. Außerdem sitzen uns die Franzosen im Nacken. Entweder jetzt oder nie.«
Vor drei Tagen, als er endlich die erforderlichen Genehmigungen beisammenhatte, waren irgendwelche französischen Verwandten von Smithson, die keine Ahnung hatten, was auf dem Spiel stand, auf der Bildfläche erschienen und hatten Anspruch auf den Leichnam erhoben. Bevor die Hindernisse unüberwindlich wurden, hatte er gegenüber den italienischen Behörden geltend gemacht, dass Smithson den Vereinigten Staaten seinengesamten Besitz vermacht habe, was auch für dessen sterbliche Überreste gelte. Er untermauerte diese Position mit haufenweise Lire, die er in die richtigen Hände drückte, und behauptete kurzerhand, Präsident Theodore Roosevelt unterstütze sein Anliegen.
Obwohl er mit seiner List durchgekommen war, wollte er sich nicht darauf verlassen, dass sein Glück von Dauer war.
Entweder jetzt oder nie.
Er legte die Hand auf seine Brusttasche, in der ein gefalteter, angekohlter Papierfetzen steckte.
Mabel war die Bewegung nicht entgangen. »Glaubst du, es ist noch da? Dass es zusammen mit ihm begraben wurde?«
»Wir müssen uns Gewissheit verschaffen. Vor einem halben Jahrhundert wäre das Geheimnis beinahe zerstört worden. Wir dürfen nicht zulassen, dass die Italiener vollenden, woran andere gescheitert sind.«
Im Jahr 1829 war James Smithson von seinem Neffen in Genua auf einer Landzunge bestattet worden. Der kleine Friedhof gehörte damals den Briten, doch später hatten die Italiener das Eigentumsrecht zurückerlangt. In den letzten Jahren hatte sich ein angrenzender Steinbruch langsam durchs Gestein gefressen, und nun wollte die Firma alles niederreißen, auch den Friedhof.
Als die Mitglieder des Verwaltungsrats des Smithsonian Museums erfuhren, dass die Gebeine ihres Gründers in Gefahr waren, hatten sie darüber gesp