: Daniel Schmidt
: Elbschlosskeller Kein Roman
: Edel Books - ein Verlag der Edel Verlagsgruppe
: 9783841906694
: 1
: CHF 13.50
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: Biographien, Autobiographien
: German
: 256
: kein Kopierschutz
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Seit seinem 18. Lebensjahr steht Daniel Schmidt, 33, in Hamburg-St. Pauli als Wirt hinterm Tresen. Und zwar in zweiter Generation. Nichts anderes wollte er jemals werden. Der Elbschlosskeller, direkt gegenüber vom 'Goldenen Handschuh', ist seit über 50 Jahren ununterbrochen geöffnet und gilt als härteste Kneipe Deutschlands. Hier gehen Obdachlose, Prostituierte, gestrandete Existenzen, aber auch Millionäre, Sozialpädagogen oder Anwälte ein und aus. Einzigartige Schicksale, Dramen und Tragödien spielen sich ab. Eine düstere, faszinierende Parallelwelt, in der sich nicht nur traurige, sondern auch viele schöne, weil zutiefst menschliche Momente abspielen. 'Die Menschen kommen zu uns, damit sie sie selbst sein können', sagt Daniel Schmidt, der nahezu täglich Extremsituationen erlebt - oft, aber nicht immer wird er damit fertig. Von seinem unglaublichen Leben erzählt er brutal ehrlich, überraschend reflektiert und mit ganz viel Empathie.

Als Daniel Schmidt 1984 geboren wurde, war sein Vater schon einige Jahre Wirt des Elbschlosskellers, der als härteste, aber auch sozialste Kneipe Hamburgs gilt. Seit seinem 18. Lebensjahr steht er selbst hinter der Theke der Kiez-Institution, die niemals ihre Türen schließt, bis auf eine Ausnahme: als der Lockdown kam. Da musste erst einmal ein Schloss in die Tür eingebaut werden. Sein erstes Buch, 'Elbschlosskeller', über das Leben rund um die St-Pauli-Kneipe avancierte zum Geheimtipp und Spiegel-Bestseller. Daniel Schmidt ist zudem Mitbegründer des Hilfsvereins 'Wer wenn nicht wir', in dem er und seine Mitstreiter sich um Obdachlose und Hilfsbedürftige vom Kiez kümmern.

Vier Stufen


Im Elbschlosskeller landen die Gestrandeten, die Erledigten, die Einsamen. Wir lassen jeden rein. Das sieht man, das riecht man auch. Ich bin 34 Jahre alt, Wirt mit Leib und Seele und mit dem Elbschlosskeller groß geworden. Ich erzähle meine Geschichte und die des Elbschlosskellers, einer Institution für verlorene Seelen. Keiner ist davor gefeit, hier zu landen.

Oft genug habe ich gesehen, wie das Schicksal genau dort zugeschlagen hat, wo man es am wenigsten erwartet hätte. Tiefer runter als in den Elbschlosskeller geht es nicht, und doch geht es irgendwie weiter, manchmal auch aufwärts, nicht immer, aber es kommt vor. Bei uns kann jeder so sein, wie er ist. Wir sind eine Familie. Mal ist es leise, mal laut. Mal beängstigend, mal dreckig, mal wunderschön. Alle, die gesellschaftlich geächtet sind, gehen hier ein und aus: Obdachlose, Prostituierte, Süchtige, Kaputte. Und dann gibt es auch die anderen: Millionäre, Sozialpädagogen, Lehrer, Hausfrauen. Aber die sozialen Unterschiede lösen sich Im Elbschlosskeller auf. Hier sind alle Menschen gleich.

Vier Stufen führen runter in den Elbschlosskeller. Vier Stufen und du bist in einer anderen Welt. Jedes Mal, wenn ich da hinuntergehe, passiert etwas mit mir. Der Elbschlosskeller ist alles und nichts für mich. Heimat – ja, das trifft es. Mit jedem, der da unten hockt, fühle ich mich irgendwie verbunden. Damit meine ich unsere Stammgäste, nicht die Horden, die jedes Wochenende in St. Pauli einfallen und sich in die Seitenstraßen der Reeperbahn ergießen. Ich rede von denen, die auf dem Kiez leben und jeden Tag im Elbschlosskeller sitzen. Viele sind arbeitslos, sie kommen schon tagsüber. Andere trinken bei uns nach Feierabend ein Bier. Oder mehr. Sobald ich die Schwelle übertrete, überfallen mich die Leute. War ich ein paar Tage nicht da, heißt es: „Mensch, Daniel, du musst hier wieder mehr stehen“, und damit haben sie recht. Ich sehe mich manchmal als weißes Licht in all dem Dunkel. Das soll nicht arrogant klingen. Damit meine ich die Glut in meinem Herzen. Manchmal sitzen Leute vor mir im Elbschlosskeller, die sind kalt, deren Glut ist erloschen. Aber ich trage so viel davon in mir, dass ich denke, ich kann ihr Feuer mit meiner Glut wieder entfachen. Indem ich ihnen meine Energie und mein Mitgefühl gebe. Als ich mit 18 hinter der Theke anfing, hieß es immer noch: „Lothar, Lothar!“ Damit war mein Vater gemeint. Jahrzehntelang war er der Zampano im Elbschlosskeller. Er hat den Laden zu dem gemacht, was er heute ist.

Die Menschen im Elbschlosskeller, von denen ich erzählen werde, brauchen einen hinterm Tresen wie mich. Viele von ihnen haben nichts. Sie waren mal wer und sind jetzt nichts mehr. Oder wie es der schöne Klaus, ein legendärer Lude aus den Achtzigern, mal gesagt hat: „Früher war ich eine große Nummer, heute nur noch eine Nummer.“ Die, die abgestürzt sind, die Verlierer des Lebens, die hinauskatapultiert wurden, ins Abseits, auf die Verliererseite – sie kommen nicht nur in den Keller, um ihr Bier zu trinken. Klar gehört das dazu, aber was sie vor allem suchen, ist Geborgenheit. Sie wollen sagen können: „Ich trinke mein Bier zu Hause, bei einem, der meine Geschichte kennt. Einer, der selbst eine Geschichte hat.“ Ich biete ihnen dieses Zuhause, ich bin gerne ihre Familie. Es sind die Emotionen der Menschen, die mich diese vier Stufen nach unten ziehen.

Seit fast 70 Jahren gibt es den Elbschlosskeller schon. Hamburger Berg Nummer 38, schräg gegenüber vom Goldenen Handschuh. Das ist eine Menge Kiez-Geschichte. Wir sind eine der ältesten Kneipen Hamburgs. Und nicht nur das: Seit der Eröffnung im Jahr 1952 hat der Keller sieben Tage die Woche geöffnet, rund um die Uhr. Immer. Mit einer Ausnahme, das war 2016, als der Laden über meh