: Jean-Henri Fabre
: Michael Ohl
: Spinnen
: Matthes& Seitz Berlin Verlag
: 9783957577672
: 1
: CHF 5,30
:
: Erzählende Literatur
: German
: 100
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
In Jean-Henri Fabres poetischen Beschreibungen treten die Spinnen als lauernde Mörderinnen oder als Opfer spinnenjagender Wespen auf. Sie sind für ihn so abstoßend wie furchteinflößend, in ihrem Verhalten aber gleichermaßen anziehend und faszinierend. Begeistert von der Südfranzösischen Tarantel, der Schwarzen Witwe und der Kreuzspinne, beobachtet er gespannt deren Beutefang, ihre Paarung und Fortpflanzung wie auch Netzbau seiner häuslichen Nachbarn. Die Geometrie des Radnetzes der Kreuzspinnen veranlasst ihn zu philosophischen Überlegungen über mathematische Prinzipien in der Natur, während seine Familie fassungslos seinen Experimenten zusieht, mit denen er die vermeintliche Giftigkeit mancher Spinnenarten untersucht. Er bringt Licht in die Welt der im Verborgenen lebenden Tiere und so werden die Spinnen für ihn schließlich zu einem Sinnbild dafür, wie jeder Organismus in all seinen Teilen sich in den Organismus der von Gott geschaffenen Natur einfügt.

Jean-Henri Fabre, geboren 1823 in Saint-Léons du Lévézou, Entomologe und Autor, war zunächst Lehrer in Ajaccio und dann Physikprofessor in Avignon bevor er sich ab 1870 ausschließlich der Beobachtung von Insekten widmete und an seinem Hauptwerk, den Souvenirs Entomologiques, arbeitete, deren erster Band 1879 erschien. Fabre, dessen Werk in viele Sprachen übersetzt ist, gilt als einer der wesentlichen Wegbereiter der Verhaltensforschung. Er starb 1915 in Sérignan-du-Comtat, Vaucluse. Michael Ohl, geboren 1964, ist Leiter des Zentrums für Integrative Biodiversitätsentdeckung am Museum für Naturkunde Berlin und Privatdozent an der Humboldt-Universität zu Berlin. Er forscht über Themen der Evolutionsbiologie, Systematik und Taxonomie sowie der Wissenschaftsgeschichte. #13; Friedrich Koch, geboren 1933, Landpfarrer in Dinkelsbühl und Entomologe, übersetzt Jean-Henri Fabre seit 2002. Ulrich Kunzmann, 1943 geboren, ist promovierter Romanist und Übersetzer. Er war als Dramaturg von Hörspieladaptionen aus der romanischen Literatur für den Rundfunk tätig und übersetzt seit 1969 aus dem Französischen, Spanischen und Portugiesischen.

MICHAEL OHL

»Meine dicke Nachbarin«


In seinen zehnbändigen »Erinnerungen eines Insektenforschers«1 beschreibt Jean-Henri Fabre mit Hingabe das Verhalten zahlreicher Insektenarten, die er in seiner südfranzösischen Heimat beobachtet. Vom Heiligen Pillendreher über Grabwespen bis zur Schmeißfliege, Fabre zeichnet in seiner einfühlsamen Prosa das Verhalten von Insekten nach, die im Garten des Harmas, seines Anwesens in Sérignan-du-Comtat in der französischen Region Provence-Alpes-Côte d’Azur, vorkommen. Alles, was ihm auffällt, dokumentiert er mit großer Genauigkeit.

Es bleibt nicht aus, dass auch Spinnen Fabres Weg kreuzen. Eigentlich sind sie nicht Gegenstand der Arbeit eines Entomologen, und auch Fabre ist sich bewusst, dass Spinnen nicht zu den Insekten gehören. Eigentlich Grund genug, die Spinnen nicht zu beachten, aber Fabre schert sich wenig um die Grundüberzeugungen der Systematiker, die die Natur in starre Schubladen sperren: »Eine Spinne ist nach der Klassifizierung kein Insekt, und daher scheint dieEpeira hier deplatziert. Pfui auf die Systematik! Dass sie acht und nicht sechs Beine und Lungensäcke statt Trachenröhren hat, ist für das Studium des Instinkts belanglos.«2 Fabre sieht im Phänotyp, der physischen Gestalt des Organismus, eine minderwertige, wenn nicht einschränkende Notwendigkeit der Existenz von Organismen3. Von wirklicher Relevanz aber sei die Biologie, die sich mit dem lebenden Organismus beschäftigt, die aber von den meisten Entomologen ignoriert werde: »Die Entomologie der Nomenklatoren macht enorme Fortschritte, sie überschüttet und überschwemmt uns. Die andere, die Entomologie der Biologen, die einzig interessante und beachtenswerte, wird derart vernachlässigt, dass die häufigste Spezies entweder keine Geschichte hat oder eine gründliche Revision des wenigen Vorhandenen nötig ist.