: Honoré de Balzac
: Glanz und Elend der Kurtisanen
: Re-Image Publishing
: 9783965446533
: 1
: CHF 0.80
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: Hauptwerk vor 1945
: German
: 500
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Die Fortsetzung der 'Verlorenen Illusionen'. Dichter Lucien de Rubempré und Bankier de Nucingen rivalisieren um Kurtisane Esther. Damit er nicht ganz auf verlorenem Posten steht, schließt Lucien einen Pakt mit einem falschen Priester.

Honoré Balzac wurde am 20. Mai 1799 in Tours geboren und starb am 18. August 1850 in Paris. Er war ein französischer Schriftsteller. In den Literaturgeschichten wird er, obwohl er eigentlich zur Generation der Romantiker zählt, mit dem 17 Jahre älteren Stendhal und dem 22 Jahre jüngeren Flaubert als Dreigestirn der großen Realisten gesehen. Sein Hauptwerk ist der 88 Titel umfassende, aber unvollendete Romanzyklus La Comédie humaine (dt.: Die menschliche Komödie), dessen Romane und Erzählungen ein Gesamtbild der Gesellschaft im Frankreich seiner Zeit zu zeichnen versuchen.

Was alte Herren sich die Liebe kosten lassen


Seit acht Tagen feilschte Nucingen fast täglich in dem Laden der Rue Neuve Saint-Marc um die Auslieferung derer, die er liebte. Dort thronte Asien bald unter dem Namen Saint-Estève, bald unter dem ihres Geschöpfes, der Frau Nourrisson, unter dem schönsten Putz, der jenen grauenhaften Zustand erreicht hatte, in dem Kleider keine Kleider mehr, aber auch noch keine Lumpen sind. Der Rahmen stand im Einklang mit der Figur, die diese Frau sich zulegte, denn solche Läden sind eine der unheimlichsten Eigentümlichkeiten von Paris. Man sieht dort den Nachlaß, den der Tod mit seiner entfleischten Hand dorthin geworfen hat, und man hört das Röcheln einer Schwindsucht unter dem Schal, wie man die Todesqual des Elends unter einem goldbeflitterten Kleide errät. Dort stehen die furchtbaren Debatten zwischen dem Luxus und dem Hunger auf leichten Spitzen geschrieben. Man sieht die Züge einer Königin unter einem federgeschmückten Turban, dessen Stellung an das fehlende Gesicht erinnert und es fast ergänzt. Hier steht das Scheußliche im Hübschen. Die Geißel Juvenals in den Amtshänden des Taxators streut enthaarte Muffs, verdorbene Pelze bedrängter Dirnen aus. Es ist ein verwesender Hauf Blumen, in dem hier und dort gestern geschnittene Rosen glänzen, die einen Tag getragen wurden, und auf dem stets eine Alte hockt, die leibliche Schwester des Wuchers, die kahle, zahnlose Gelegenheit, bereit, auch den Inhalt zu verkaufen, weil sie so sehr daran gewöhnt ist, die Hülle zu kaufen: das Kleid ohne die Frau oder die Frau ohne das Kleid! Asien schaltete dort wie der Stockmeister im Bagno, wie ein Geier mit gerötetem Schnabel über Leichen, mitten in ihrem Element, furchtbarer noch als diese wilden Greuel, vor denen die Vorübergehenden erbeben, wenn sie zuweilen mit Erstaunen eine ihrer jüngsten, frischesten Erinnerungen in einem schmutzigen Schaufenster erkennen, hinter dem eine echte Saint-Estève Grimassen schneidet.

 Von Aufregung zu Aufregung, von zehntausend zu zehntausend Franken war schließlich der Bankier so weit gekommen, daß er Frau von Saint-Estève sechzigtausend Franken bot; sie aber erwiderte mit einer Grimasse des Neins, die einen Makako zur Verzweiflung getrieben hätte. Nachdem er erkannt hatte, wie Esther ihm die Gedanken verwirrte, nachdem er unerwartete Verdienste an der Börse hatte einstreichen können, kam er eines Morgens nach einer aufgeregten Nacht endlich in der Absicht, die hunderttausend Franken, die Asien verlangte, herzugeben; aber er wollte ihr eine Fülle von Auskünften entlocken.

»Du entschließt dich also, dicker Possenreißer?« sagte Asien, indem sie ihm auf die Schulter klopfte.

Die entehrendste Vertraulichkeit ist der erste Zoll, den solche Frauen von wahnsinnigen Leidenschaften oder von dem Elend, das sich ihnen anvertraut, fordern; sie erheben sich nie zur Höhe des Klienten, sie nötigen ihn, sich Seite an Seite neben sie auf den Kothaufen zu setzen. Asien gehorchte ihrem Herrn ausgezeichnet, wie man sieht.

»Ich muß fohl,« sagte Nucingen. »Und du wirst nicht bestohlen,« er