Trecker ahoi
»Ich möchte aber Leberwursteis!«
Ich stampfte so doll auf, dass meine blonden Zöpfe mir um den Kopf wirbelten. Mit fest zusammengezogenen Augenbrauen stand ich im Tante-Emma-Laden neben der Kasse. Mitten in Morsum, umgeben von Morsumern.
»Es gibt aber kein Leberwursteis, Kerin! Das habe ich dir schon zigmal gesagt!«
»Doch, das gibt es Mama, wirklich!« Meine Stimme brach, und Tränen kullerten mir übers Gesicht.
Die Kassiererin – Tante Hella – und Bekannte aus der Nachbarschaft schauten mich mitleidig an. Meine Mama nahm mich in den Arm, um mich zu trösten. Ihr blondes, dauergewelltes Haar legte sich um mein Gesicht.
»Dann erzähl mir doch noch einmal, wie es aussieht, vielleicht finden wir es!«
Von da an durchstöberten wir die Einkaufsläden der Insel, und meine Mutter suchte mit mir nach dem Leberwursteis, das mich nicht mehr losließ. Ob in Morsum, in Tinnum oder in Westerland, keine Eistheke war vor uns sicher, bis wir es fanden. Letztlich stellte sich heraus, dass die Farbe der Schlüssel zu meinem Geschmack war. Walnusseis: leicht grau-bräunlich, cremig-zart – wie Leberwurst eben.
Zufrieden, mit einem von Walnusseis gefüllten vier Jahre jungen Magen, nahm ich auf der Rückbank Platz, und meine Mutter schnallte mich an. Angeschubst vom erfrischenden Küstenwind, stotterte unsere orangefarbene Ente Richtung Sylter Osten. Der Einkauf rutschte in den Kurven durch den Wagen, während Westerland hinter uns verschwand. Trockene Felder säumten den Straßenrand. Wir holperten durch den Keitumer Ortskern, am Grünhof und seinem Gestüt vorbei. Damals existierte keine Umgehungsstraße, das kleine Dorf und sein Asphalt mussten einiges ertragen. Auf dem Weg hob meine Mutter eifrig den Zeigefinger zur Begrüßung. »Dai«, sagte sie mit einem Grinsen. Kurz, knapp, Sölring. »Guten Tag.« Die Straßen flimmerten unter den Sonnenstrahlen. Frische Heuballen standen auf den Feldern und warteten darauf, auf Anhänger gestapelt und abtransportiert zu werden.
Ich streckte die Nase durch den Spalt des Fensters. Der Staub der Erntezeit kitzelte meine Haut. Im Ortskern Morsums angelangt, drosselte meine Mutter das Tempo. Wir tuckerten an den Einfamilienhäusern mit ihren rosa und weißen Heckenrosen vorbei. Hortensien schimmerten in allen Farben. Mama streckte ihren Hals, sie liebte Blumen.
Die Reifen vertieften die bereits bestehenden Furchen in unserem Rasen, als meine Mutter das kleine Gefährt vor unserem Hof parkte. Das alte Gemäuer stand trotz der wütenden Stürme fest auf dem Grundstück. Ein Hut aus Reet schützte die Familie vor Regen und bot Insekten Unterschlupf. Mein Vater hatte das Haus frisch decken lassen, doch der charakteristische Graustich schlich sich zügig ein.
Opa Gogge stand mit dampfender Pfeife im Mundwinkel am Straßenrand und schnackte mit Onkel Jeppe. Jeppe war einer von drei Brüdern meines Vaters und lebte in unmittelbarer Nachbarschaft. Papas Geschwister waren mit Ausnahme einer seiner Schwestern Morsum treu geblieben, was mir als Einzelkind zugutekam. Stets war Leb