: Chrizzi Heinen
: Am schwarzen Loch
: Satyr Verlag
: 9783947106295
: 1
: CHF 13.50
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: Erzählende Literatur
: German
: 304
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Ein Roman mit Sogwirkung. Drei unkonventionelle Großstadtbewohner und ein vom Schweizer Großonkel geerbtes schwarzes Loch im Badezimmer. Aus diesen Zutaten webt Chrizzi Heinen einen so absurden wie komischen Roman. Souverän und ungezwungen erzählt sie von Zukunft und Gegenwart unserer Städte - und ihren Gravitationsfeldern. Hildi, Ende zwanzig, erbt von ihrem Schweizer Großonkel ein schwarzes Loch. Ganz selbstverständlich wird es in ihrem Badezimmer installiert, wo es zwischen Toilette und Dusche ein bedrohliches Gravitationsfeld erzeugt. Der Allesfresser aus dem Kosmos, eine in der Gentrifizierung verschwindende, bassgesättigte Clubkultur und urbane Alltagskünstler, die aus Betonritzen Löwenzahn zupfen, um ihn als Bioware auf dem Wochenmarkt feilzubieten - in Chrizzi Heinens erzählerischem Universum begegnen sich Melancholie und Aberwitz. Im Zentrum dieses schrägen Großstadtpanoramas stehen Hildi, Gregor und Bodo - drei mit Sympathie gezeichnete Freunde, die einander umkreisen und sich in ihren ganz eigenen Gravitationsfeldern anziehen und auch wieder abstoßen. Gemeinsam kämpfen sie gegen Verlust und Monotonie in unseren Städten und leben einen Traum, dessen größte Gefahr die Wirklichkeit ist.

Chrizzi Heinen wuchs in Köln auf, wo sie bereits in der Grundschule ihre Hefte mit Fantasiegeschichten vollschrieb. Sie arbeitete einige Zeit außerhalb Deutschlands und zog nach ihrem Studium 2005 nach Berlin. Neben stadt- und kulturanthropologischen Forschungen, z. B. über Fluxus-Performances in Berlin-Neukölln, und der Hochschullehre widmet sie sich der künstlerischen Arbeit an Zeichnungen und kleineren Gemälden, organisiert Ausstellungen, produziert Hörspiele und wirkte als Musikerin und Texterin in diversen Projekten mit. Chrizzi Heinen lebt mit ihrer Familie in Berlin-Friedrichshain.

DIE LANGE NACHT DER OFFENEN BÄDER


Nachts um drei erreichte der Geldtransporter mit dem Schweizer Autokennzeichen die Innenstadt. Nervös wie ein grundelnder Wels tuckerte er die Paulsberger Allee hinauf, umsäumt von schwer bewachsenen Haselnussbäumen, die ihre Köpfe neigten. Der Transporter, ein neuer Volvo in Blaumetallic, spiegelte das orangegelbe Licht der Straßenlaternen wider. An beiden Hintertüren klebten große Logos, welche man nun in der Dunkelheit kaum entziffern konnte: ein silberner Aufkleber mit den Umrissen Dagobert Ducks und dem Schriftzug »Geld sicher transportieren«– eine perfekte Tarnung! Tagsüber zog der Wagen alle Aufmerksamkeit auf sich, in den Köpfen der Menschen am Straßenrand brodelte es: Strumpfmasken, Überfälle und Unfälle, bei denen demolierte Autoteile zu geöffneten Schatztruhen wurden.

Ein Schwarm von fliegendem Müll umgab die seltsame Karre: fast unsichtbar die kleinen Folien von Bonbons und silbernen Kaugummipapierchen, die das Laternenlicht flackernd reflektierten, mehrere Bäckereitüten als braune Lappen, zwei, drei platte, tote Vögel, eine Blechdose, zwei Plastikflaschen und drei Bananenschalen. Wie ein fahrender Staubsauger zog der Volvo alles an, kurz pappte der gesamte Unrat an den Fensterscheiben und der glänzenden Karosserie. Kronkorken klirrten gegen die Windschutzscheiben, doch ein kaum sichtbarer Lüftungsschlitz auf dem Dach des Transporters pustete den gesamten Dreck wie in einer unsorgfältigen Mülltrennungsanlage auf den sauberen Asphalt zurück. Auf dem Autodach: eine tote Katze, ihr Kopf an der Seite hinunterhängend, ihr Gesicht gegen eine der getönten Scheiben gedrückt, als erspähe sie dadurch doch eine Maus auf einem Autositz, mehrere Spatzen, auf dem Rücken liegend, tote Ausstrahlung, obwohl ihr Flaum vom Fahrtwind nervös flatterte, die Köpfe im Nacken verkrampft, dazwischen Tüten und viele, viele goldene Kronkorken, die dem Geldtransporter als dilettantische Geldstücke eine ironische Note verliehen.

Der Wagen hielt nun an der Kreuzung vor der leer stehenden Fernsehtechnikwerkstatt und fuhr bei Grün langsam weiter, vorbei am größten Secondhand-Kaufhaus Europas, vorbei an Bertas Erotikfachhandel, vorbei an der Biobäckerei Atomic Bread,an Handyläden, an Aurelias Ein-Euro-Laden und der kleinen,