Kapitel 1 – Ideen und Sprüche
„Guten Morgen, Schlafmütze.“ Martin weckte mich.
„Guten Morgen, Schatz, wie spät ist es?“ Verschlafen rieb ich mir die Augen.
„Sieben! Ich habe mir schon mal Kaffee gemacht und muss jetzt gleich los. Soll ich heute Abend wieder vorbeikommen?“ Seine Augen sprachen Bände. Als Postbote musste er pünktlich aus dem Haus. Schade eigentlich! „Danke für die Nacht!“ Genüsslich räkelnd lächelte ich ihn an: „Wird vielleicht nicht notwendig sein. Aber ich melde mich, wenn ein Geist an meine Tür klopft.“ Ein geheimnisvolles Lächeln huschte über meine Lippen. Ich war hinreißend –zumindest wollte ich so wirken.
„Na, dann! Ich wünsch dir einen schönen Tag, und ruf mich an. Hörst du?“ Ein letzter besorgter Blick in meine Richtung, und Martin entschwand.
Es war Zeit – ich stand auf.
Seine Anwesenheit hatte mir zu einer relativ ruhigen Nacht verholfen, wenn ich von den gelegentlichen Schnarchern absah. So nahe hatte ich noch nie neben einem Mann geschlafen. Bei dem Gedanken lief ein erregender Schauer über meinen Rücken. Sein Geruch hing noch für einen Moment in meiner Nase. Die Dusche spülte alles weg.
Ich hatte noch genügend Zeit zum Frühstücken.
Währenddessen kamen die Erinnerungen an gestern zurück.
In der Hoffnung, dass so etwas nicht wieder passieren würde, trank ich meinen Tee, dachte über Sabines Ausführungen nach und versuchte noch einmal, ihr Ritual gedanklich durchzugehen. Es war schon merkwürdig, was ich in den letzten Tagen alles erlebt hatte.
Wenn das damit gemeint war, dass ich noch meine Fähigkeiten entdecken würde? Na, dann gute Nacht!
Zu Fuß machte ich mich auf den Weg in die Stadt.
Ein kleiner Bummel entlang der Schaufenster, die den Fußweg zum St. Johanner Markt säumten, sollte meinen Morgen bereichern. Mich beschlich wieder dieses seltsame Empfinden, nicht allein zu sein. Natürlich! Der Marktplatz war voller Menschen, aber das war es nicht. Es saß weiter oben, im Nacken und fühlte sich sonderbar kalt an. Ich versuchte, mir nichts anmerken zu lassen und schlenderte von einem Schaufenster zum nächsten und betrachtete dabei den Markt aus dieser Perspektive.
Das Gefühl blieb.
Plötzlich glaubte ich, in einer der Scheiben einen weißen Schatten zu sehen. Sofort drehte ich mich um.
Außer den normalen Menschen konnte ich nichts Absonderliches entdecken.
„Du bist hysterisch“, in dem Versuch, mich selbst zu beruhigen, redete ich leise vor mich hin und lief unruhig weiter in Richtung Esoterik-Laden. Anders konnte ich es mir einfach nicht erklären. Ständig sah ich mich um. Litt ich unter Verfolgungswahn? Ich beschleunigte unbewusst meinen Gang, um rascher am Ziel anzukommen. Die Gemütlichkeit war mit einem Schlag vorbei. Mit einem letzten Blick vergewisserte ich mich, dass ich allein meinen Laden betrat.
„Hallo! Schon so früh da?“ Sabine stand im Nebenzimmer und brühte Kaffee auf.
„Ja! War schon beizeiten wach. Gibt’s was Neues?“ Ich ging in den hinteren Teil des Ladens und ließ meine Handtasche unter dem Tresen verschwinden.
„Nein! Heute war noch niemand da. Ist ja auch noch zu früh