II Die moralische Ökonomie der Armut
Armut war, anders als Engels behauptete, kein Kind der industriellen Revolution. Auch vorindustrielle Gesellschaften kannten sie. Lebensmittelknappheit trat nicht zuletzt in den periodischen Hungerkrisen auf, die auf Missernten oder Kriege folgten. Das Bild der armen Leute, die sich in den patriarchalischen Verhältnissen des 17. und 18. Jahrhunderts gemütlich eingerichtet hätten, war ebenso schief wie die Vorstellung, es habe damals eine rundweg harmonische Beziehung zwischen Arm und Reich gegeben.
Was es hingegen gab, war eine »moralische Ökonomie«, die den wohlhabenden Schichten und der Obrigkeit bestimmte Verbindlichkeiten auferlegte. Auf deren Balance und Gerechtigkeit wurde sorgsam geachtet; Verletzungen traditioneller Ansprüche und Erwartungsenttäuschungen riefen regelmäßig Unruhen und Aufstände hervor. Kamen Obrigkeit und Wohlhabende ihren angestammten Pflichten gegenüber vermögenslosen Bevölkerungsgruppen nicht nach, reagierten diese mit Empörung und forderten lautstark, die alten Verhältnisse wiederherzustellen.1
Dazu gehörten eine gesicherte und kontrollierte Lebensmittelbewirtsch