Während des langen Weges nach Hause werfen mich die verschiedenen Gedanken und Emotionen hin und her. Wahrscheinlich liegt das auch daran, dass es sehr anstrengend ist, mit einer Hand im Gips das Kind im Zaum zu halten und noch meine Sachen zu tragen. Ist es besser, dass ich nichts gesagt habe oder wäre es besser gewesen, wenn ich den Mund aufgemacht hätte und die Wahrheit wäre herausgesprudelt? Noch überwiegt die Unsicherheit, welches der richtige Weg ist. Doch mein täglicher Überlebenskampf hat mich schon so zermürbt, dass ich einfach keinen Mut aufbringen kann. Alles ist für mich so anstrengend geworden, sodass meine gesamte Kraft täglich aufgebraucht ist.Endlich erreichen wir unser Haus. Vollkommen verlassen steht es da. Mein Mann dürfte wirklich noch bei seiner Mutter sein.Der Postkasten quillt über, doch ich finde unter all den Poststücken eine Genesungswunschkarte meiner Kollegen, also hat mein Mann es zumindest geschafft, meinen Arbeitgeber über den Unfall zu verständigen. So brauche ich nicht um meine Arbeitsstelle zittern.„Komm, jetzt schauen wir mal, was wir für dich als Abendessen finden.“Mein kleiner Sohn ist nun auch schon ziemlich müde, doch der Kühlschrank ist, bis auf drei Eier, leer. Ich versuche, mich so vor den Kühlschrank zu stellen, dass er nicht sieht, dass nichts darin ist.„Ich mach dir eine Eierspeise, das geht am schnellsten“, sage ich zu ihm und versuche, eine saubere Pfanne zu finden, da ein ziemlich großer Teil des Geschirrs im Haus verteilt ist, natürlich mit allerlei Essensresten.„Es sieht nicht so aus, als ob das Suchen sich lohnen würde“, denke ich und stülpe einen Plastiksack um meinen Gips, damit ich die Pfanne und einen Teller abwaschen kann.Während das Kind seine Eierspeise genießt, stopfe ich einen Teil des Geschirrs in den Geschirrspüler und nutze die Zeit danach, dass ich das Kind nach dem Essen ins Bett bringe. Alles dauert unheimlich lange, da es nicht so einfach ist mit einer Hand, die in der Zwischenzeit angefallene Hausarbeit zu erledigen.
Um zehn Uhr abends läutet das Telefon:„Hallo, hast du es nach Hause geschafft?“, sagt mein Mann am Telefon, „Meine Mutter fühlt sich so einsam und du bist sowieso mit einer Hand zu langsam, um alles in Ordnung zu halten, so bleibe ich noch einige Zeit bei Mutter, sie braucht mich doch so“, sagt er und legt ganz einfach auf.„Toll“, denke ich mir, „so gerne hätte ich ihm jetzt gesagt, dass ich auch ein wenig Unterstützung brauchen könnte, wo ich doch sonst immer alles alleine mache.“Nun, er war schneller, um sich das zu ersparen.Doch um zurück zu rufen fehlt mir der Mut. So kämpfe ich mich die nächsten zwei Stunden durch den versauten Haushalt, bis ich endlich um Mitternacht den Weg ins Bett finde.
Langsam steigt das Mondlicht immer höher und höher über den Himmel. Meine Gedanken fangen an, sich immer mehr im Kreis zu drehen.Wie erzähle ich meiner kranken Mutter von dem Unfall, ohne dass sie sich große Sorgen und Gedanken macht? Wie soll mein Leben weitergehen? Warum kann ich von meinem Mann nicht die kleinste Hilfeleistung erwarten, wo ich doch immer alles für ihn erledige und er normalerweise nicht einmal einen Handgriff zu tun braucht? Ist es wirklich zu viel verlangt, wenn ich mir wünsche, dass er mir, nur in dieser Zeit meiner Genesung, ein wenig hilft?
Schon alleine die normalen täglichen Tätigkeiten wie Duschen, Frisieren, Kochen usw. bereiten mir unheimlich viel Schwierigkeiten, da ich die Halskrause immer noch tragen muss und diese die Bewegungsfähigkeit sehr einschränkt. Dazu kommt auch noch die eingegipste Hand.
Mir erscheint mein Leben immer schwerer und schwerer. Nur mühsam finde ich ein wenig Schlaf, um nach kurzer Zeit wieder gedankenüberfüllt aufzuwachen. Stückchen um Stückchen kämpfe ich mich so durch die Nacht. Die kurzen Schlafperiod