: Gerhard Fritsch
: Klaus Kastberger
: Man darf nicht leben wie man will Tagebücher
: Residenz Verlag
: 9783701746095
: 1
: CHF 15.40
:
: Briefe, Tagebücher
: German
: 264
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Wer war Gerhard Fritsch? Einer der bedeutendsten österreichischen Autoren der Nachkriegszeit, in einem Atemzug zu nennen mit Hans Lebert oder Thomas Bernhard? Ein reger Literaturfunktionär, der als Rezensent, Herausgeber, Lektor und Mitglied zahlreicher Jurys den Betrieb seiner Zeit maßgeblich beein?usste? Ein Getriebener, der dreimal verheiratet und Vater von vier Kindern war und sich schließlich in Frauenkleidern erhängte? Der früh verstorbene Autor von 'Moos auf den Steinen' und 'Fasching' war all das und noch mehr: Seine Tagebücher gewähren uns erstmals Einblick in Schaffenskrisen, Höhen?üge und private Travestieträume. Vor allem aber zeigen sie uns Gerhard Fritsch als unermüdlich Schreibenden und ermöglichen eine völlig neue Lektüre seines Werks.

Gerhard Fritsch,geboren 1924 in Wien, gestorben 1969 in Wien. Nach der Rückkehr aus dem Zweiten Weltkrieg studierte er Geschichte und Germanistik. Verlagslektor, Bibliothekar, ab 1958 freier Schriftsteller und Literaturkritiker. Er erhielt zahlreiche Literaturpreise und veröffentlichte mehrere Gedichtbände sowie die Romane 'Moos auf den Steinen' (1956) und 'Fasching' (1967), postum erschien 'Katzenmusik' (Residenz, 1974). Klaus Kastberger, geboren 1963 in Gmunden, studierte Germanistik und Geschichte in Wien. 1996-2015 arbeitete er am Literaturarchiv der ÖNB, seit 2015 Professor für neuere deutschsprachige Literatur am Franz-Nabl-Institut sowie Leiter des Literaturhauses Graz. Klaus Kastberger ist derzeit Mitglied der Jury des Bachmann-Preises. Stefan Alker-Windbichler, geboren 1980 in Wien, studierte Germanistik, Publizistik und Theaterwissenschaft und ist Leiter der Fachbereichsbibliothek Germanistik, Nederlandistik und Skandinavistik der Universität Wien. Er hat ausführlich zu Gerhard Fritsch geforscht und publiziert.

Heft I


Juni 1956 – Jänner 1957
Juni 1957


13. Juni 1956

In einem stinkenden Vorstadtkaffeehaus (mein »schöpferisches« Milieu) nach einer »Dichterstunde Ferdinand v. Saar« am Stadtrand in Favoriten. Schlechter Mokka, triste Burschen, Tiefparterre eines der ersten Gemeindebauten am Gürtel. Bei Saar waren 5 (!) ganze Zuhörer – und Christl hat sich durch die Steinklopfer gequält. Aber das ist eigentlich nicht so wichtig: ich habe heute – vor dem Vortrag – die Helmut-Story satt bekommen – und damit viel mehr! Auf wie lange? Ich werde es ja sehen. Eigentlich müßte man sich schon freimachen können von seinen Perversionen: und wenn nicht freimachen, sich doch ein wenig distanzieren. Nicht immer gleich nachgeben. Mit dem Nichtnachgeben beginnt jede Leistung. – Das Radio kreischt und Billardkugeln krachen, ich könnte jetzt gut und leidenschaftslos schreiben, mehr sehen und darstellen, aber ich muß bald