Erster Teil
Nürnberg, Juli 1532
Markus stand neben Hauptmann von Waldow im Verhandlungssaal direkt hinter dem Stuhl Kaiser Karls V. Man hatte sie von Schmalkalden abberufen, um für seine Sicherheit zu sorgen. Der Kaiser steckte in zähen Verhandlungen mit den Vertretern des Schmalkaldener Bundes.
»Der Kaiser und der Bund«, hatte von Waldow gesagt, »in einem Raum. Das ist ungefähr so, als wenn man sich in einen Zwinger begibt, in dem es vor ausgehungerten Wölfen wimmelt.« Nach einem kurzen Seitenblick auf Bandit lächelte er. »Ich hoffe, du nimmst mir das nicht krumm«, zwinkerte er dem Wolf zu. »Aber leider darfst du nicht mit hinein.«
Markus hatte zunächst nicht begriffen, worum es ging, als man sie von Schmalkalden aus nach Nürnberg in Marsch gesetzt hatte. Sein Hauptmann hatte es ihm erklärt.
»Sieh, Markus, das ist Politik. Die Osmanen haben sich einige Gefechte mit Kaiser Karls Truppen geliefert. Sie sind wieder recht stark geworden und sitzen in Ungarn. Der Kaiser befürchtet, dass sie sich wieder Richtung Wien aufmachen, und das möchte keiner von uns.«
Markus hatte genickt. Nur zu gut war ihm die Zeit im belagerten Wien im Gedächtnis geblieben.
»Das wäre eine Katastrophe.«
»Und zwar eine gewaltige. Nun hat Kaiser Karl das Problem, dass er auf der einen Seite die Osmanen hat, die ihm im Magen liegen, und auf der anderen Seite das Bündnis, von dem man nicht weiß, ob seine Mitglieder die Gelegenheit nutzen, wenn Karl seine Heere gegen die Osmanen schickt. Einen Krieg an zwei Fronten kann der Kaiser nicht führen. Es fällt ihm schon schwer, genug Männer für einen Feldzug gegen die Osmanen zu finden. Also muss er versuchen, wenigstens für die Zeit, die er braucht, um die Osmanen zurückzudrängen, im Reich Frieden zu schaffen.« Er machte eine kurze Pause. »Und die Krone Ungarns hat er dabei mit Sicherheit auch im Blick.«
Das hatte Markus verstanden. Nicht auszudenken, wenn auf einmal im Reich selber das Bündnis mit Waffengewalt gegen die weitgehend ungeschützten katholischen Städte zöge.
Er dachte kurz an Schmalkalden und den bitterkalten Winter zurück. Nach dem misslungenen Entführungsversuch Steffan Rabensteiner zu Döhlaus hatte er von ihm und Ferdinand von Ravensburg nichts mehr gesehen oder gehört. Dieser war seltsamerweise nur wenige Tage nach dem Vorfall abgereist. Gerüchten zufolge war er wieder zurück nach Ravensburg gezogen, aber genaues wusste Markus nicht. Im Grunde genommen wollte er es auch nicht wissen.
Seit Tagen wurde bereits verhandelt. Zunächst war es darum gegangen, ob und wie viele Soldaten jedes der Lager mit in den Saal nehmen durfte. Von Waldow hatte sich am Ende durchsetzen können, dass er gemeinsam mit Markus, von Gaisberg, Georg Bachmüller und Fritz Astheimer die persönliche Bewachung des Kaisers übernehmen würde. Man traute ihnen eine gewisse Neutralität zu, die man der persönlichen Leibwache des Kaisers absprach.
Die Gespräche ermüdeten Markus, aber von Waldow hatte ihm eingeschärft, dass er keinen Moment unaufmerksam sein durfte.
»Auch bei solchen Aufträgen musst du für deine Männer ein Vorbild sein. Gähnst du, werden auch sie gähnen. Schläfst du ein, ist die Katastrophe schon passiert. Mir ist klar, dass du nicht alles verstehst, was vor sich geht. Mir geht es nicht anders. Trotzdem musst du stets