Kapitel 2
Sie sieht aus wie ein Boxer nach einem brutalen Kampf. Hämatome um Augen und Wangen, Schwellungen rund um die Nase, die dick verklebt ist. Aus dem Tropf neben ihrem Bett sickert im Zeitlupentempo Flüssigkeit in ihre Vene. Die Infusion gegen etwas auszutauschen, das garantiert tötet, dieser Gedanke ist mir natürlich gekommen. Aber sie liegt ohnehin schon da wie auf dem Silbertablett. Wehrlos.
Sie schläft mit offenem Mund, dem leichte Schnarchgeräusche entweichen. So friedlich sieht sie aus mit ihrer neuen Nase, Modell »griechisch«. Na ja, eine Schönheit war sie ja wohl nie. Eher der intellektuelle Typ. Eine Schmeißfliege war sie, eine, die sich im Dreck der anderen suhlte. Vergangenheitsform. Ja, diese grammatikalische Nuance ist durchaus angebracht. Denn Steffi Hütter wird diese Nacht nicht überleben. Weil sie bestraft werden muss. Es ist alles ihre Schuld. Nicht meine. Ich setze mich nur zur Wehr, das ist mein gutes Recht. Ich tue es ja nicht gern. Es ist nicht so, dass ich Spaßam Töten hätte, oh nein. Es ist eine Notwendigkeit, das Gebot der Stunde. Du hast immer die Wahl, hat ein Therapeut zu mir gesagt, du musst dich nur für das Richtige entscheiden. Yes, Sir, genau so. Das Richtige ist, Steffi Hütter zu töten.
Zweiter Gedanke: Luft spritzen, aber im Halbdunkel des Zimmers scheint mir diese Version zu riskant. Und nun, vor ihrem Bett, entscheide ich mich für das Einfache. Die Erfahrung hat mich gelehrt, dass es immer die beste Wahl ist. Mit einem Griff ziehe ich ihr den Polster unter dem Kopf weg. Sie stöhnt ein bisschen, aber nicht laut und nicht lang, denn jetzt drücke ich ihr den Polster aufs Gesicht, schnell, schwer und kompromisslos. Von Schmerz – und Schlafmittel betäubt, bleibt ihr nur ein gedämpftes Stöhnen, das niemand außer mir hören kann. Ihre Beine zucken, aber auch nur kurz, und sie hat keine Kraft, sich mit den Armen gegen diesen Angriff zu wehren. Ihr geht die Luft aus. Ich zähle leise bis dreißig und halte den Druck noch aufrecht, als sie schon hinüber sein muss. Den Blick habe ich immer auf die Tür gerichtet, sollte die Krankenschwester auf die Idee kommen, nach der Patientin zu schauen, würde ich das Kissen ganz schnell wieder unter Steffis Kopf schieben. Aber die Schwester sitzt im Bereitschaftszimmer und schaut sich auf ihrem iPad eine Netflix-Staffel an. Mit Kopfhörern. Und ihre Runde dreht sie erst, wenn die Folge zu Ende ist. »Safe«, eine englische Thriller-Serie. Wenn das nicht irgendwie ironisch ist …
Ich nehme den Polster von ihrem Gesicht und lege ihn wieder unter Steffis Kopf. So friedlich liegt sie da. Und so tot. »Gute Reise«, flüstere ich ihr ins Ohr, bevor ich mit leisen Schritten zur Tür gehe, sie vorsichtig öffne und dann hinaushusche in den Flur, der um vier Uhr morgens so still ist wie ein Friedhof.
***
Mara steht auf der Terrasse und raucht. Sie ist nervös, und sie hat Angst, obwohl der Professor sie mit vielen Worten, von denen sie nur die Hälfte verstand, beruhigt hat. Die Vaginalstraffung per Laser sei ein harmloser medizinischer Eingriff, schonend, beinahe schmerzfrei. Ein Routineeingriff, und auf ihren ausdrücklichen Wunsch wird sie während der Behandlung sogar in einen kurzen Dämmerschlaf versetzt. Davon erwacht, könne sie ohne Weiteres nach Hause fahren. Mit dem Taxi. Nur fünf Tage müsse sie auf Geschlechtsverkehr verzichten, sagte der Professor mit einem Augenzwinkern. Er ist wirklich sehr nett, denkt Mara, und er hat ihr auch erlaubt, einen Abend vorher in der Klinik einzuchecken. Gegen einen Aufpreis von dreihundert Euro. Den wahren Grund, warum sie nicht i